05/2024 von Klaus Kosack
Im Frühjahr 2024 lieferte Brawa einen neuen Kühlwagen der Bauart UIC Typ 1 aus. Kühlwagen oder Wärmeschutzwagen sind Güterwagen, die verderbliche Lebensmittel (Fische oder Fleisch) möglichst gekühlt und schnell vom Erzeuger bis zum Kunden liefern soll. Kühlwagen gibt es schon seit über 100 Jahren. Im Laufe der Zeit wurde die Isolation der Wagen verbessert, es wurden Vorrichtungen für Trockeneis zur Kühlung eingebaut u.v.a.m.
Mitte der 50er Jahre beschäftigte sich auch die UIC mit Kühlwagen. Heraus kam die Bauart UIC Typ 1. Für die Staatsbahnen war das „Haus zu Haus“ Geschäft mit verderblichen Gütern nicht besonders lukrativ und überließen es gerne privaten Unternehmen, die eine Flotte von Kühlwagen besaßen und diese weitervermietete. Eine dieser Firmen hieß INTERFRIGO.
Der zunehmende Wettbewerb durch Lkw mit Kältemaschinen veranlasste die westeuropäischen Bahnen zu verstärkter Kooperation. Alle Aktivitäten im Kühlverkehr wurden 1949 in der "Société Ferroviaire Internationale de Transports Frigorifiques" (INTERFRIGO) als gemeinsamer Dachorganisation zusammengeführt. Sitz des Unternehmens war Brüssel, das operative Geschäft wurde in Basel gemacht. Zunächst beteiligten sich die Bahnverwaltungen von Belgien (SNCB), Großbritannien (BR), Frankreich (SNCF), Italien (FS), Niederlande (NS) und der Schweiz (SBB). Weitere Bahnverwaltungen folgten, darunter 1959 Deutschland (DB) sowie Griechenland (OSE), Luxemburg (CFL), Spanien (RENFE), Türkei (TCDD) und Dänemark (DSB). Die Abwicklung des Betriebes wurde den jeweiligen nationalen Kühltransportgesellschaften übertragen. INTERFRIGO lieferte nach Fahrplan europaweit Obst, Gemüse, Molkereiprodukte, Fleisch und Südfrüchte, sowie Fisch und Bananen etc. aus den großen Seehäfen. 1993 wurde die INTERFRIGO mit der "Intercontainer" (1967 gegründet) fusioniert und firmierte fortan als "Intercontainer-INTERFRIGO SA" (ICF). Das Unternehmen agierte in der kombinierten Schiene/Straße Verkehr und wurde 2010 liquidiert.
INTERFRIGO übernahm die Kühlwagen der beteiligten Bahngesellschaften in einen eigenen Waggonpool und vermietete die Fahrzeuge nach Bedarf. Bei den Wagen handelte es sich um zweiachsige Kühlwagen unterschiedlicher Bauarten, die den RIV-Richtlinien entsprachen und mit Wasser- bzw. Trockeneis gekühlt wurden. Zusätzlich zu den Fahrzeugen der nationalen Bahnverwaltungen begann INTERFRIGO 1951 mit dem Bau eigener Kühlwagentypen, die zu einer Vereinheitlichung des Bestandes führten. Ab 1955 folgten Neukonstruktionen nach UIC-Richtlinien in Ganzmetall-Bauweise, die mit Eis gekühlt wurden und auf zweiachsigen Laufwerken ruhten. Die Fahrzeuge wurden entsprechend der Wirksamkeit ihrer Isolierung klassifiziert: Die Bauart "UIC-Typ 1" war für Kühlgut bei Temperaturen um +4 °C vorgesehen und wurde in rund 6.500 Exemplaren beschafft. Die Bauart "UIC-Typ 2" diente zum Transport von Tiefkühlgut bis -20 °C und entsprach den zeitgenössischen Kühlwagen der DB. Bei späteren INTERFRIGO-Bauarten wurden auch Drehgestelle und motorbetriebene Kühlaggregate verwendet. Die Waggons erschienen meist in einem weißen oder hellgrauen Farbschema und führten den Schriftzug "INTERFRIGO" in blau.
Nach 1945 erfuhren die dänischen Exporte von Seefisch und Schlachterzeugnissen einen starken Zuwachs, der die Kühlwagenkapazität der DSB überforderte. Zunächst behalf man sich mit der Anmietung von Kühlwagen von der EVA und der DB, die als Gattungen IKI, IKM, IFL und IKL eingereiht wurden. Als die DB aber 1959 der INTERFRIGO-Kooperation beitrat, gingen diese Wagen in den Bestand der Transthermos über und standen nicht mehr als Leihwagen zur Verfügung. Daraufhin trat die DSB 1960 ihrerseits der INTERFRIGO bei und brachte in deren Wagenpool die Kühlwagen der Reihen IKA, IKN, IKS und IB ein. Gleichzeitig lieh die DSB für den grenzüber-schreitenden Verkehr INTERFRIGO-Wagen vom UIC-Typ 1, die bei der DB als INTERFRIGO-Privatwagen eingestellt waren. Insgesamt wurden 270 Wagen für den Fleischtransport und 50 Wagen für den Fischtransport angemietet, die bis Mitte der 1970er Jahre genutzt wurden.
Hier ein Bild des Vorbilds:
Bemerkenswert ist die Zuladung für das Trockeneis. Hierfür gab es an jeder Stirnfront eine Aufstiegsleiter. Auf dem Absatz konnte der Ladearbeiter an einem schrägen Dach-Teil eine Klappe öffnen und das Trockeneis hineinschieben. So konnte die Kühlung auf 4°C während der Fahrt gehalten werden. Das Trockeneis hatte die Eigenschaft beim Tauen nicht zu tropfen.
Modell
Es ist nicht der erste INTERFRIGO-Kühlwagen im Modell. Bereits die Firmen Minitrix, Atlas/ Rivarossi, Roco und Modellbahn-Union brachten Kühlwagen dieser Firma heraus. Auch bei Brawa gab es den Wagen. Der älteste Kühlwagen mit der Aufschrift INTERFRIGO stammt von Atlas/ Rivarossi aus dem Jahre 1969. Hier ein Bild des Wagens:
Insgesamt ca. 25 Kühlwagen mit INTERFRIGO-Aufschrift sind von den o.g. Firmen erschienen. In der Regel haben die Modellbahn-Hersteller einen Standard- Kühlwagen aus ihrem Programm genommen und auf ihm die INTERFRIGO-Aufschrift gedruckt, manchmal auch in Farbe. Egal, ob der es auch beim Vorbild gab oder nicht. Rivarossi hat einen Tmehs 50 der DB genommen und nicht beachtet, dass das INTERFRIGO-Logo hätte in blau gedruckt werden müssen.
Das hat Brawa viel besser gemacht. Das erste Modell des Kühlwagens erschien 2008, wobei für die Neukonstruktion das passende Vorbild (UIC St. 1) ausgesucht und umgesetzt wurde.
Hier ein Bild des Wagens:
Der Wagen hat an beiden Seiten Aufstiegsleitern und auf dem Dach 8 Flettner-Lüfter.
Das Modell ist 73 mm lang und hat einen Achsstand von 41 mm. Seit 2008 sind bereits 16 Varianten erschienen, davon 3 DB-Wagen in Ep III, 11 ausländische Wagen 2 Bier-Wagen. Der Wagen hat die Nummer 524 068 [P] der DB mit Heimatbahnhof Basel Bad Bf, wo auch die Firma ansässig ist. Auf der rechten Seite ist in Französisch, italienisch und deutsch der Hinweis „verderbliche Waren“ aufgedruckt. Inzwischen sind drei weitere Varianten erschienen: DB-Wagen Ep IV, 2x SNCF (STEF und Badoit).
Es folgen Detail-Ansichten des Wagens (#67119):
Zusammenfassend ist zu sagen, hier hat Brawa ordentlich gearbeitet. Grobe Mängel waren nicht zu sehen. Im Zugverband lief der Wagen problemlos über alle Gleissysteme der Club-Anlage.
Einsatz auf der Modellbahn
Der Wagen ist in allen Güterzügen einsetzbar, von der Übergabe bis hin zum TEEM. Einzeln oder mehrfach ist dem Modellbahner überlassen. Es ist ein typischer Güterwagen für einen besonderen Transport, wie hier Fleisch oder Fische, das schnell vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert werden muss. Gut ist hierbei, dass es kein Phantasiewagen ist, sondern ein reales Vorbild hat.
Fazit
Für den Wagen gibt es noch ein paar Optionen: weitere Staatsbahnen, wo der Wagen eingesetzt wurde. Ferner wäre im Nachgang zum Einsatz als Kühlwagen für Fleisch oder Fisch nach Beendigung dieser Transporte als Kühlwagen für z.B. Bier oder Wasser denkbar. Selten sind noch verschmutzte Wagen, auch das wäre eine Möglichkeit für Brawa. Mal sehen, wie die 22. Variante des Wagens aussieht. Der Wagen kostet knapp 43 €, damit ist er kein Schnäppchen.
Klaus Kosack
Literatur:
R. Carthago, Sammelkatalog Brawa Spur N 2020, Wedel 2020
St. Carstens, Güterwagen der DB AG- Stand 1998, Fürstenfeldbruck 1998
Internet: Sebtus.de/steckbrief_extern_uic_typ_1.html