02/2019 von Klaus Kosack
Schon wieder überraschte Modellbahn Union uns Modellbahner, diesmal mit einem Fährboot-Rungenwagen der Bauart Rbmms 55. Es ist bereits Mitte letzten Jahres die sechste Güterwagen- Neuheit von Modellbahn Union (MU), die nicht vorher angekündigt worden war. Damit mausert sich MU langsam zu einem bedeutsamen Güterwagen-Hersteller in der N-Welt. Und MU ist bislang der einzige Hersteller von Fährbootwagen in N.
Vorbild
Zum 1. Mai 1925 trat die DRG dem belgisch-britischen Fährboot Vertrag bei und beschaffte Güterwagen, die für das kleinere britische Lichtraumprofil geeignet waren. Dieser Vertrag beinhaltete den Güterverkehr zwischen Harwich (GB) und Zeebrugge (B). Vorher mussten Ladungen für die britische Insel in einem Hafen an der Nordsee umgeladen werden. Unter anderem wurde von der DRG eine kleine Serie Rungenwagen beschafft, die später unter der Bauart Rfh Trier (Saarbrücken) und Rbh 21 geführt wurden. Insgesamt 40 Wagen wurden zwischen 1928 und 1934 beschafft. Von diesen kamen nur 8 Wagen in den Bestand der DB. Diese wurden bis 1965 ausgemustert. Bei der DR hielt sich der Wagen als Rbh 62 bzw. Rbh 4090 etwas länger.
Noch vor der Beschaffung neuer Rungenwagen nach UIC-Standard beauftragte die DB die Firma Fuchs in Heidelberg 1954 eine kleine Serie von 25 Fährbootrungenwagen nach UIC Richtlinien zu bauen. Geliefert wurden die Wagen 1956 als Rbmms 55 mit den Wagen-Nummern 435 000 bis 435 024. Im Jahre 1962 ließ die DB weitere 30 Wagen bauen und zwischen 1963 und 1965 folgten dann weitere 100 Wagen, sodass insgesamt 155 Rungenwagen zur Verfügung standen. Ab der zweiten Serie bekamen die Wagen die UIC- Seilanker, kleinerer Klappenscharniere und eine andere Anordnung der der Fährbootösen. Auch wurden größere 12‘ Bremszylinder eingebaut. Nach 1962 wurden die Wagen zu Lfs-t 569, später Lfms-t 569 umgezeichnet. Bis 1984 waren die Wagen vollzählig vorhanden, obwohl der Fährbootverkehr mit GB rückläufig war.
Wegen ihres engeren Profils hatte der Wagen an allen Seiten klappbare Seitenborde; an den Seiten der Wagen konnten 9 Rungen eingesteckt werden; an den Stirnseiten waren je zwei Stahlrungen mit I-Profil verbaut. Bei Nichtgebrauch der Rungen hatten die Wagen eine Kiste unter dem Wagenboden; dafür war ein sichtbares Gestell eingebaut, das wegen der englischen Handbremse in Richtung einer Achse verschoben war.
Im Laufe der 80er Jahre kamen die Rungenwagen nur noch selten nach England; daher wurden die Wagen am Ende ihrer Dienstzeit wegen ihrer Länge zum Transport von Schwellen beim Gleisbau hergerichtet. Die letzten Fährboot-Rungenwagen wurden 1995 ausgemustert.
Foto2: Maßskizze Rbmms 55- Quelle DV 939d, Ausgabe 1967
Der Wagen hatte eine LüP von 12 500 mm und einen Achsstand von 6.800 mm. Die Ladefläche betrug 23,4 m²; der Wagen konnte mit bis zu 26 t beladen werden.
Kurz: Eine Güterwagenbauart, die sich nicht sonderlich von den Regel- Rungenwagen unterschied, aber für einen speziellen Verkehr gebaut wurden. Mit 155 Wagen waren sie beim Vorbild eher selten zu sehen.
Modell
Das Modell ist schon der dritte Fährbootwagen, den MU herausgebracht hat. Den Auftakt machte der Tcefs 845, gefolgt wurde er von dem Kühlwagen Tbnhs 30 und Dritter im Bunde ist der Fährboot- Rungenwagen Rbmms 55.
Ein Blick in die Hauptdaten des Tcefs 845 und Lfs-t 569 zeigt, dass das Fahrgestell beider Wagen identisch war, was sich auch MU zu Nutze gemacht hat.
Zu Anfang sei der Fährboot- Rungenwagen neben einen normalen Rungenwagen neuerer Bauart, dem Rlmms 58 von Arnold (#HN 5014 1) gegenüber gestellt. Der Fährbootwagen wirkt ausgesprochen zierlich, hat aber die gleiche Spurweite, wie man auf dem Foto sehen kann.
Foto3: Rungenwagen Rbmms 55 MU (links) Rlmms 58 Arnold (re)
Foto4: Rungenwagen von vorne MU (li) Arnold (re)
Der ersten Untersuchung galt der Maßhaltigkeit des neuen Wagens. Ergebnis war, dass Länge über Puffer und der Achsstand auf < 0,1 mm genau eingehalten wurde. Lediglich bei der Breite des Wagens, der 14,7 mm betragen sollte, wurden 14,2 mm gemessen. Das ist aber den Rungen geschuldet, die etwas dicker als beim Vorbild ausgefallen sind. Schließlich sollen sie den rauen Alltagsbetrieb aushalten und nicht beim ersten Aufsetzen bzw. Abnahme des Wagens gleich abbrechen.
Foto4a: 2x Rbmms 55
Foto5: Rbmms 55
Trotzdem ist MU auf Nummer sicher gegangen und hat dem Wagen ein Tütchen mit Ersatzrungen beigegeben. In dem Tütchen befinden sich noch Seilösen, die bei Nichtgebrauch der Rungen in die Löcher eingesteckt werden können. Beigepackt sind zwei Größen: Eine Kleinere für die Seitenwände (7 Ösen) und für die Stirnseiten (5 Ösen). Beide Spitzgußteile sind doppelt vorhanden. Da war MU großzügig mit den Ersatzteilen.
Der Wagen ist konstruktiv wie folgt aufgebaut: Fahrgestell- Balastgewicht und Wagenkörper.
Es ist schon eine Augenweide, den Wagen von allen Seiten zu betrachten. Da hat sich MU wirklich Mühe gemacht.
Foto6: Rbmms 55 oben
Foto7: Rbmms 55 vorne
Foto8: Rbmms 55 unten
Dem Wagen sind 2 Paar Kupplungen beigegeben, eine Standard-Kupplung mit langen Schaft und zwei Dapol- Kupplungen. Beide Kupplungen finden sich ebenfalls im besagten Tütchen. Der Autor hat folgende Kombinationen auf R1 mit Gegenkurve getestet:
Testergebnis war, dass bei allen Kupplungskombinationen von den Wagen der R1 geschafft wurde, bei der Klauen-Kupplung kam es fast zu Berührungen der Puffer.
Nachteil der Klauen-Kupplung ist- wegen der fehlenden beweglichen Klaue-, dass sie nicht automatisch kuppeln kann, dafür ist sie betriebssicher, wenn es denn auf der Anlage keine groben Schienenstöße gibt.
Foto9: Kupplung ab Werk
Foto10: Kupplung kurz und lang
Foto11: Kupplung 2x lang
Foto 12: Klauen-Kupplung
Eines muss noch bemerkt werden: Die Rungenwagen werden mit Finescale-Radsätzen ausgeliefert. Die haben eine Spurkranzhöhe von nur 0,6 mm. Wem das nicht betriebssicher genug ist, bietet MU passende Radsätze mit der Spurkranzhöhe von 0,65 mm an. (MU-N-X00001, 3,99€ das Paar). Die gleichen Finescale-Radsätze sind auch beim Tcefs 845 verbaut.
Einsatz auf der Modellbahn
Als Regelgüterwagen kann der Wagen universell eingesetzt werden. In erster Linie für sperrige nässeunempfindliche Güter aller Art. Für den Fall, dass das Gut doch vor Nässe geschützt werden soll, gab es beim Vorbild passende Planen. Dadurch, dass der Wagen auch dem britischen Profil angepasst war, gibt es zusätzlich die Option, den Wagen auch auf britischen Anlagen laufen zu lassen. Inzwischen kann man mit MU- Zubehör einen stattlichen Hafen bauen, der je nach Geschmack in England oder auf dem Kontinent spielt.
Fazit
Der Rungenwagen bietet noch die Option für weitere Varianten: Der Wagen war bis Epoche V im Einsatz, da sind noch Beschriftungsvarianten der Epochen IV und V möglich. Ladegut für Wagen der Epochen IV und V wären noch Schwellen, wo die Wagen im Bauzug-Dienst eingesetzt waren. Mein Fazit: Noch ein Fährbootwagen, den es in N noch nie gab. Man kann Modellbahn Union zu ihren Güterwagen nur gratulieren: Regelgüterwagen- häufig beim Vorbild- und Fährbootwagen. Man darf gespannt sein, was MU noch alles auf dem Markt bringt. Eine zukünftige Neuheit ist ja schon durchgesickert: Es ist der Omm 52, auch mit Bühne und Bremserhaus.
Klaus Kosack
Lit.: Stefan Carstens Gütewagen Bd 5, Rungen- Schienen- und Flachwagen, Nürnberg 2008
Stefan Carstens, Die Güterwagen der DB AG- Stand 1998, Nürnberg 1998
BZA (Hrsg.), DV 939d, Ausgabe 1967, Minden 1967