10/2021 von Klaus Kosack
Als „Herbstneuheit 2020“ (in Wirklichkeit wurden die Neuheiten erst Ende September 2021 ausgeliefert) hat Minitrix erstmals eine Serie von 4-achsigen Umbauwagen in Epoche III und IV aufgelegt. Die Umbauwagen waren Neubauten mit einem erheblichen Anteil an altbrauchbares Material aus älteren Länderbahn-Wagen. Damit ist Minitrix bereits der vierte Anbieter von Umbauwagen.
Vorbild
Da die Bahn wenig Geld für die Neubeschaffung von Wagen hatte, ging man neue Wege. Zu hunderten gab es noch das Erbe vergangener Zeiten, nämlich in diesem Falle 4-achsige Abteilwagen meist preußischen Ursprungs. Die hatten Mitte der 50er Jahre schon über 40 Jahre auf dem Buckel und bei diesen Wagen lohnte eine Aufarbeitung nicht mehr. Hinzu kam der hölzerne Aufbau des Wagens, der Ende der 50er Jahre verboten wurde. So kam man auf die Idee- wie auch bei Güterwagen- diese Wagen zu zerlegen und noch brauchbare Teile (z.B. Rahmenteile und Drehgestelle) für die neuen Wagen zu nutzen. Das Ganze wurde in einem Umbauprogramm eingebettet, das von 1955 bis 1960 dauerte. So wurden insgesamt 1.846 Umbauwagen in den bahneigenen Werkstätten gebaut, und zwar drei Bauarten, einen 2. Kl. Wagen, einen 1./2. Kl. Wagen und 2. Kl. mit Gepäckraum.
Bei der Archetektur diesen Wagen standen die 3-achser Umbauwagen Pate. Die Innenraumgestaltung wurde übernommen, nur der Länge angepasst. Alle Wagen hatten eine LüP von 19,46 m und hatten zusätzlich einen Mitteleinstieg. Anfangs firmierten die AByg- Wagen als AByg 58 mit 24 Sitzen der 1. Kl. und 36 gepolsterten Sitzen der 2. Kl. Der B-Wagen (72 Sitze) bekam ebenfalls die Bauartnummer 58, während der Halbgepäckwagen (36 Sitze) die Bauartnummer 56 bekam. Im Zeitalter der Computer-Nummer hatten die AB-Wagen die Bauartnummern 501 bis 504, die B-Wagen die Nummern 514, 515 und 516, während die BD-Wagen die Nummern 531 bis 533 zugeteilt wurden. Die Wagen waren um 33 t schwer und alle für 120 km/h zugelassen. Die AB4yg Wagen bekamen Nummern ab 34 001, die B4yg Nummern ab 73 300 und die BPw4yg Nummern ab 98 300.
Wie schon erwähnt, wurden altbrauchbare Drehgestelle weiterverwandt. Verbaut wurden in die neuen Wagen folgende Drehgestelle:
Nach Ausgehen der älteren Drehgestelle wurde nur noch die MD l-Drehgestelle verbaut. In den AWs kam es zu Drehgestellen Tausch. Nur die AB-Wagen hatte immer das MD l Drehgestell, wegen der besseren Federung.
Eingesetzt wurden die Wagen anfangs im Eilzugverkehr, später auch in Nahverkehrszügen sowie im Vorortverkehr von Großstädten. Typische Wagenreihungen waren Lok-B-AB-B-BD. Natürlich wurden die Umbauwagen auch mit anderen Bauarten gemischt, so z.B. Eilzugwagen DRG-Bauarten, aber auch mit den Nachfolgern, den Mitteleinstiegswagen (26,4 m) und Silberlingen. Zuglok war häufig die BR 38.10 oder 78, im Nahbereich auch die BR 64 oder 86. Diesellok-Fans können auf die V 100 oder V 80 zurückgreifen. Freunde von Elloks haben u.a. die BR E 41 oder E 44 zur Wahl. Bei langen Vorortzügen kam auch schon mal die BR 50 zum Einsatz. Die Wagen wurden recht freizügig eingesetzt, sogar in F-Zügen wurden sie eingesetzt.
Modelle
Erste Überraschung für mich war, dass es seit 1967 sage und schreibe, 82 Varianten der Umbauwagen von vier Herstellern erschienen sind, davon 49 in Epoche III und 33 in Epoche IV.
Den Vorreiter machte einmal mehr Arnold, der 1967 -damals eher unüblich für Hersteller mit einem kompletten Satz aller drei 4yg-Wagen, AB, B und BD in Epoche III herauskam. Diese Wagen waren ohne Inneneinrichtung und eher einfach konstruiert. Alle Wagen hatten vereinfachte Schwanenhals- Drehgestelle, die beim AB4yg falsch waren. Überdies waren die Wagen um 1 cm zu kurz.
Sie hielten sich bis 2002 im Programm der Firma, zuletzt im Hobby-Programm. Damals war der Modellbahner damit zufrieden, denn es gab nichts anderes.
Zehn Jahre später traten Roco und Fleischmann mit ihren Umbauwagen auf den Markt. Wie Arnold lieferten beide Firmen alle drei Wagentypen, jedoch beide in Epoche IV.
Als erste wurden die Fleischmann-Wagen unter die Lupe genommen: Die Erst-Ausgabe in Epoche IV hatten alle Schwanenhals-Drehgestelle, die beim AB4yg falsch waren. Später kamen auch die beiden o.g. Drehgestelle zum Einbau, letztere aber meistens in Zugpackungen als Sonderausgabe. Eine solche Zugpackung war der Personenzug der 50er Jahre mit einer BR 23, die als Besonderheit einen DB-Keks auf der Rauchkammertür trug. Hier Bilder der Umbauwagen aus der Zugpackung:
Wenn man genauer hinsieht, haben der B4yg und BPw4yg beide Schwanenhals-Drehgestelle und nur der AB4yg die MD l- Drehgestelle. Der erste Eindruck ist aber auch, dass die Wagen hochbeinig wirken, was auch später gezeigt wird. Im Verbund mit anderen Wagen sind sie um 1,5 mm zu hoch. Fleischmann hat im Laufe der Jahre 29 Varianten der 3 Wagen herausgebracht, die Mehrzahl (16) in Epoche III.
Man sieht doch deutlich den Höhenunterschied der Wagen. Der Gummiwulst und Puffer passen nicht in der Höhe. So blieb dem geneigten Modellbahner nur übrig, Wagen beider Firmen in einen Zug nicht zu mixen.
Der zweite Hersteller, der 1977 erstmals seine Umbauwagen präsentierte, war Roco. Auch hier war die Erstausgabe die drei Umbauwagen in Epoche IV. Den damaligen Gepflogenheiten folgend, hatten die Wagen keine Kurzkupplung. Die wurde wie bei Fleischmann erst ca. 15 Jahre spendiert. Hier ein Bild der Erstausgabe:
Wie die allermeisten Roco-Wagen sind hier MD l-Drehgestelle verbaut, was ja beim Vorbild auch der Fall war. Im Laufe der Zeit modernisierte auch Roco seine Umbau-Wagen und bekamen eine Kurzkupplung. Wie Fleischmann zögerte man lange, auch Versionen in Epoche III herzustellen.
Alle drei Roco-Wagen haben MD l- Drehgestelle und Kurzkupplung. Sie sind sehr ansprechend gestaltet und waren damals Spitzenprodukte der Umbauwagen. Die letzte Serie kosteten nur 17 € das Stück, der Preisaufkleber war noch auf der Verpackung. Für den Preis der Neuheit von Minitrix bekam man damals alle drei Wagen. Leider sind die Wagen mit dem Konkurs der Firma 2008 in der Versenkung verschwunden, da Fleischmann selber die Wagen im Programm hatte. Roco brachte im Laufe der Zeit 44 Varianten des Wagens heraus, die Mehrzahl war, anders als bei den Mitbewerbern, Wagen der Epoche IV, nämlich 27.
Kommen wir zur Neuheit 2021: Minitrix bot erstmals in seinem Sortiment die Umbauwagen an. Um keine halben Sachen zu machen, kamen sie in der Erstausgabe gleich mit allen drei Bauarten in Epoche III und IV. Es gibt sogar erstmals einen Unterschied bei den 2. Kl. Wagen mit Gepäckabteil: In Epoche III hat der Wagen 4 Fenster in der Falttür zum Gepäckraum (neuere Bauart), während der Wagen in Epoche IV die ältere Bauart mit zwei Fenstern zum Vorbild hat. Die Bauart mit 4 Fenstern kam ab 1965 zum Einsatz. Die ältere Bauart haben auch alle Mitbewerber nachgebaut. Hier Bilder der drei Wagentypen der Neuheit:
Es fallen mehrere Details bei den Wagen auf: Alle Wagen haben an den beiden äußeren Türen Griffstangen, die keiner der Mitbewerber hatte. Nur Roco hatte Griffstangen zur Selbstmontage ohne Loch am Eingang. Es wurden zwei Drehgestell-Bauarten verbaut, nämlich MD leicht bei den 2. und 1./2. Kl. Wagen, während der 2. Kl./ Gepäck-Wagen neu bei Minitrix das preußische Schwanenhals-Drehgestell hat. Alle drei Wagen haben Beleuchtung. Ob das bei Tageslicht auf der Anlage sinnvoll ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Eines muss aber auch gesagt werden, das Licht ist nicht zu grell und durch die neue Bauform der Kontaktfeder auf der Achse hat Minitrix es hinbekommen, dass die Beleuchtung weitestgehend flackerfrei ist. Der BPw4yg 56 hat Schlusslichter im Gepäckabteil, die aber immer brennen, egal ob der Wagen vorwärts oder rückwärts fährt (im analogen Betrieb). Mein erstes Fazit ist, die Wagen sind hervorragend gestaltet und das Beste an Umbauwagen, was der Autor je gesehen hat.
Ein Blick von allen Seiten der Neuheit zeigt den großen Aufwand im Formenbau. Hier Fotos des Wagens von allen Seiten:
Hier können weitere Details bewundert werden. Der Abstand der Dachlüfter ist bei dem B4yg und AB4yg unterschiedlich, was Roco übersehen hat. Die Dachfarbe entspricht den Vorschriften zur Zeit, als das Original entstanden ist. Später kam ein silberner Ton in Mode. Auch beim Boden des Wagens hat sich Minitrix Mühe gemacht. Überdies kann man die viergeteilten Kontaktfedern für die Beleuchtung sehen, die das Flackern der Beleuchtung minimieren.
Hier sieht man, dass die Wagen schon ab Werk eng kuppeln. Auch hier ein Bravo für Minitrix.
Zum Schluss noch Vergleichsbilder der Umbauwagen bezüglich der Pufferhöhe mit den Mitbewerbern Fleischmann und Roco:
In Bild 19 sieht man die „Hochbeinigkeit“ des Fleischmann-Wagens. Mischt man Wagen von Minitrix und Fleischmann in einem Zug, fällt die unterschiedliche Dachhöhe der Wagen auf. Besser wäre es, in einem Zug auf die Fleischmann-Wagen zu verzichten. Dagegen harmonieren die Minitrix- und Roco-Wagen ausgezeichnet, wie aus Bild 20 ersichtlich. Nur der Grünton ist anders, was aber mit den Farbvorschriften der DB zum Zeitpunkt des Entstehens (bzw. Revision) zu erklären ist. Fazit hier- Roco- und Minitrix-Wagen kann man kombinieren, wenn die Beleuchtung unberücksichtigt wird.
Hier springt wieder die Wagenhöhe des Fleischmann Modells ins Auge. Der Minitrix-Wagen hat als Einziger Griffstangen zu den Türen am Wagenende.
Fazit
Mit dieser Neuheit ist Minitrix ein großer Wurf gelungen. Die Wagen sind hervorragend ohne großen Fehl und Tadel gestaltet. Hier kann man Minitrix nur gratulieren. Einziger Wehrmutstropfen ist der UVP. Knapp 60 € pro Wagen ist doch m.E. schon sehr ambitioniert, verglichen mit den Preisen der Mitbewerber. Man hätte auf die Beleuchtung der Wagen verzichten können, denn bei Tag auf der Anlage machen beleuchtete Wagen nicht unbedingt Sinn. Die AB4yg und BPw4yg- Wagen gibt es leider nur im Doppelpack, dann aber für 65 € pro Wagen. Immerhin lassen sich so Art reine Umbauwagenzüge bilden, denn die Masse der Umbauwagen waren 2.Kl. Wagen. Bei den Mitbewerbern haben alle Wagentypen immer gleichviel gekostet.
Was kann Minitrix künftig noch tun? Denkbar wären Varianten der Wagen mit anderen Drehgestellen (2. Kl. und 2.Kl/Gepäck) und in rot als Beiwagen für den ET 65. Als Zugset wäre auch der Allgäu-Zollern-Bahn (mit dem hellgrünen Streifen) denkbar und nicht zu vergessen, der berühmte „Kleber-Express“, der von München über Oberschwaben nach Freiburg (und zurück) fuhr. Anfangs hatte er Umbau-Wagen am Haken, später auch Silberlinge (Rotlinge) mit Bewirtung. Es war ein bekannter Hecken-Eilzug, wo Minitrix schon passende Loks im Programm hat: BR 18.6, 38.10, 218, 85 und E 40.11.
Klaus Kosack
Lit.: H. J. Obermayer, Taschenbuch Deutsche Reisezugwagen, Stuttgart 1978
Lehmann/ Pflug, Der Fahrzeugpark der DB und neue von der Industrie entwickelte Schienenfahrzeuge, Berlin o.J. (um 1956)
Wagner/Wagner/Deppmeyer, Reisezugwagen deutscher Eisenbahnen, DB und DR, EFA Bd. 6.2, Berlin 1987