01/2025 von Klaus Kosack
Als Herbstneuheit 2024 hat Fleischmann eine Serie von 4-achsigen Umbauwagen in Epoche III aufgelegt. Die Umbauwagen waren Neubauten mit einem erheblichen Anteil an altbrauchbares Material aus älteren Länderbahn-Wagen. Damit ist Fleischmann der vierte Anbieter von Umbauwagen.
Vorbild
Da die Bahn wenig Geld für die Neubeschaffung von Wagen hatte, ging man neue Wege. Zu hunderten gab es noch das Erbe vergangener Zeiten, nämlich in diesem Falle 4-achsige Abteilwagen meist preußischen Ursprungs. Die hatten Mitte der 50er Jahre schon über 40 Jahre auf dem Buckel und bei diesen Wagen lohnte eine Aufarbeitung nicht mehr. Hinzu kam der hölzerne Aufbau des Wagens, der Ende der 50er Jahre verboten wurde. So kam man auf die Idee- wie auch bei Güterwagen- diese Wagen zu zerlegen und noch brauchbare Teile (z.B. Rahmenteile und Drehgestelle) für die neuen Wagen zu nutzen. Das Ganze wurde in einem Umbauprogramm eingebettet, das von 1955 bis 1960 dauerte. So wurden insgesamt 1.846 Umbauwagen in den bahneigenen Werkstätten gebaut, und zwar drei Bauarten, einen 2. Kl. Wagen, einen 1./2. Kl. Wagen und 2. Kl. mit Gepäckraum.
Bei der Archetektur diesen Wagen standen die 3-achser Umbauwagen Pate. Die Innenraumgestaltung wurde übernommen, nur der Länge angepasst. Alle Wagen hatten eine LüP von 19,46 m und hatten zusätzlich einen Mitteleinstieg. Anfangs firmierten die AByg- Wagen als AByg 58 mit 24 Sitzen der 1. Kl. und 36 gepolsterten Sitzen der 2. Kl. Die B-Wagen (72 Sitze) bekamen die Bauartnummern 56 und 58, während der Halbgepäckwagen (36 Sitze) die Bauartnummer 56 bekam. Im Zeitalter der Computer-Nummer hatten die AB-Wagen die Bauartnummern 501 bis 504, die B-Wagen die Nummern 514, 515 und 516, während die BD-Wagen die Nummern 531 bis 533 zugeteilt wurden. Die Wagen waren um 33 t schwer und alle für 120 km/h zugelassen. Die AB4yg Wagen bekamen Nummern ab 34 001, die B4yg Nummern ab 73 300 und die BPw4yg Nummern ab 98 300.
Wie schon erwähnt, wurden altbrauchbare Drehgestelle weiterverwandt. Verbaut wurden in die neuen Wagen folgende Drehgestelle:
Nach Ausgehen der älteren Drehgestelle wurden nur noch die MD l-Drehgestelle verbaut. In den AWs kam es zu Drehgestellen Tausch. Nur die AB-Wagen hatte immer das MD l Drehgestell, wegen der besseren Federung.
Eingesetzt wurden die Wagen anfangs im Eilzugverkehr, später auch in Nahverkehrszügen sowie im Vorortverkehr von Großstädten. Typische Wagenreihungen waren Lok-B-AB-B-BD. Natürlich wurden die Umbauwagen auch mit anderen Bauarten gemischt, so z.B. Eilzugwagen DRG-Bauarten, aber auch mit den Nachfolgern, den Mitteleinstiegswagen (26,4 m) und Silberlingen. Zuglok war häufig die BR 38.10 oder 78, im Nahbereich auch die BR 64 oder 86. Diesellok-Fans können auf die V 100 oder V 80 zurückgreifen. Freunde von Elloks haben u.a. die BR E 41 oder E 44 zur Wahl. Bei langen Vorortzügen kam auch schon mal die BR 50 zum Einsatz. Die Wagen wurden recht freizügig eingesetzt, sogar in F-Zügen wurden sie eingesetzt.
Modelle
Erste Überraschung für mich war, dass es seit 1967 sage und schreibe, 82 Varianten der 4-achsigen Umbauwagen von vier Herstellern erschienen sind, davon 53 in Epoche III und 33 in Epoche IV.
Da ich schon einmal über die Umbau-4achser einen Blog-Artikel verfasst habe, erspare ich mir Wiederholungen. Hier der Link zum Artikel: Neue Umbauwagen von Minitrix
Der erste Hersteller war Arnold, der 1967 mit allen drei Varianten herauskam. Die Wagen hielten sich bis 2002 im Programm der Firma, zuletzt im Hobby-Programm. Damals war der Modellbahner damit zufrieden, denn es gab nichts anderes.
Zehn Jahre später (1977) traten Roco und Fleischmann mit ihren Umbauwagen auf den Plan. Wie Arnold lieferten beide Firmen alle drei Wagentypen, jedoch beide in Epoche IV.
Als erste wurden die Fleischmann-Wagen unter die Lupe genommen: Die Erst-Ausgabe in Epoche IV hatten alle Schwanenhals-Drehgestelle, die beim AB4yg falsch waren. Später kamen auch die beiden anderen Drehgestelle zum Einbau, letztere aber meistens in Zugpackungen als Sonderausgabe. Eine solche Zugpackung war der Personenzug der 50er Jahre mit einer BR 23, die als Besonderheit einen DB-Keks auf der Rauchkammertür trug. Hier Bilder der Umbauwagen aus der Zugpackung:
Der B4yg und BPw4yg haben beide Schwanenhals-Drehgestelle und nur der AB4yg die MD l- Drehgestelle. Der erste Eindruck ist aber auch, dass die Wagen hochbeinig wirken, was auch später gezeigt wird. Im Verbund mit anderen Wagen sind sie um 1,5 mm zu hoch. Fleischmann hat im Laufe der Jahre 35 Varianten der 3 Wagen herausgebracht, die Mehrzahl (22) in Epoche III.
Man sieht doch deutlich den Höhenunterschied der Wagen. Der Gummiwulst und Puffer passen nicht in der Höhe. So blieb dem geneigten Modellbahner nur übrig, die neuen Wagen in einen Zug mit den alten Fleischmann-Wagen nicht zu mixen.
Der zweite Hersteller, der 1977 erstmals seine Umbauwagen präsentierte, war Roco. Auch hier war die Erstausgabe die drei Umbauwagen in Epoche IV. Den damaligen Gepflogenheiten folgend, hatten die Wagen keine Kurzkupplung. Die wurde, wie bei Fleischmann erst ca. 15 Jahre später spendiert. Hier ein Bild der Erstausgabe:
Wie bei den allermeisten Roco-Wagen sind hier MD l-Drehgestelle verbaut, was ja beim Vorbild auch der Fall war. Im Laufe der Zeit modernisierte auch Roco seine Umbau-Wagen und bekamen eine Kurzkupplung. Wie Fleischmann zögerte man lange, auch Versionen in Epoche III zu präsentieren.
Alle drei neueren Roco-Wagen haben MD l- Drehgestelle und Kurzkupplung. Sie sind sehr ansprechend gestaltet und waren damals Spitzenprodukte der Umbauwagen. Die letzte Serie kosteten nur 17 € das Stück, der Preisaufkleber klebte noch auf der Verpackung. Für den Preis der Neuheit von Fleischmann heute bekam man damals zwei Wagen. Leider sind die Wagen mit dem Konkurs der Firma 2008 in der Versenkung verschwunden, bis sie leicht verändert 2024 wieder auftauchten. Roco brachte im Laufe der Zeit 44 Varianten des Wagens heraus, die Mehrzahl war, anders als bei den Mitbewerbern, Wagen der Epoche IV, nämlich 27.
Ein Mitbewerber soll hier nicht fehlen: Der Umbau-Wagen von Minitrix. Er hat als einziger Wagen Griffstangen verbaut. Bei Roco und Fleischmann liegen sie zum Selbstkleben lose (Spritzling mit 5 Griffen) bei. Allerdings ohne vorgefertigte Löcher. Der Minitrix-Wagen ist hervorragend gemacht, nur der Preis ist sehr ambitioniert: Über 50 € muss man für einen Wagen hinblättern, dafür hat er auch eine Innenbeleuchtung.
Kommen wir zur Neuheit 2024: Fleischmann bot erneut in seinem Sortiment alle drei Umbauwagen an und diesmal in Epoche III. Die ältere Bauart haben auch alle Mitbewerber nachgebaut. Hier Bilder der drei Wagentypen der Neuheit und Bilder vom Roco Vorgänger aus 2006:
Es fallen mehrere Details bei den Wagen auf: Alle Wagen fahren auf Drehgestellen der Bauart MD l. Zweitens die große Ähnlichkeit mit den Roco-Wagen. Hat hier Fleischmann seine alten Roco-Formen ausgemottet? Wie Roco hat der Wagen keine Griffstangen am Eingang, sondern sie liegen lose als Spritzling bei- ohne vorgefertigte Löcher. Der Spritzling hat 5 Griffe. Die vier Wagen von Roco und Fleischmann sind alle in der BD Hannover, Bww Hannover Hbf beheimatet. Untersuchungsdatum ist Oktober 1958. So lassen sich die Wagen gut historisch einordnen, während bei den Roco-Wagen die Aufschriften am Rahmen fehlen. Dafür klebten noch die Preisschilder auf der Schachtel der Roco-Wagen. 2006 waren die Wagen für 17,50 € zu haben.
Die weiteren Fotos zeigen die Herkunft von den Roco-Wagen:
Es zeigt sich, dass hier Fleischmann die Roco-Formen wieder aufgelegt hat und die alten eigenen Formen in der Versenkung hat verschwinden lassen. Zu diesen Schritt kann man Fleischmann nur gratulieren, waren doch die Roco-Wagen wesentlich besser gelungen.
Hier sieht man, dass die Wagen schon ab Werk eng kuppeln. Auch hier ein Bravo für Fleischmann.
In Bild 21 sieht man die „Hochbeinigkeit“ des Fleischmann-Wagens. Mischt man Wagen von Fleischmann alt und neu in einem Zug, fällt die unterschiedliche Dachhöhe der Wagen auf. Besser wäre es, in einem Zug auf die alten Fleischmann-Wagen zu verzichten. Dagegen harmonieren die Minitrix- und Roco- und neuen Fleischmann- Wagen ausgezeichnet. Nur der Grünton ist anders, was aber mit den Farbvorschriften der DB zum Zeitpunkt des Entstehens (bzw. Revision) zu erklären ist. Fazit hier- Roco-, neue Fleischmann- und Minitrix-Wagen kann man kombinieren, wenn die Beleuchtung unberücksichtigt wird.
Hier springt wieder die Wagenhöhe des Fleischmann Modells ins Auge. Der Minitrix-Wagen hat als Einziger Griffstangen zu den Türen am Wagenende. Die Ausformung der Wagenende bei Roco und Fleischmann zeigen auffällige Parallelen.
Fazit
Mit dieser Neuheit ist Fleischmann ein großer Wurf gelungen. Die Wagen sind hervorragend ohne großen Fehl und Tadel gestaltet. Hier kann man Fleischmann nur gratulieren. Einziger Wehrmutstropfen ist der UVP. Knapp 37 € pro Wagen ist noch erträglich, verglichen mit den Preisen der Mitbewerber. Gut ist die Entscheidung von Fleischmann, alle Wagen einzeln anzubieten. So kann sich jeder seinen Lieblingszug zusammenstellen.
Was kann Fleischmann künftig noch tun? Denkbar wären Varianten der Wagen mit anderen Drehgestellen (2. Kl. und 2.Kl/Gepäck) und in Rot als Beiwagen für den ET 65. Nicht zu vergessen, der berühmte „Kleber-Express“, der von München über Oberschwaben nach Freiburg (und zurück) fuhr. Anfangs hatte er Umbau-Wagen am Haken, später auch Silberlinge (Rotlinge) mit Bewirtung. Es war ein bekannter Hecken-Eilzug, wo Fleischmann schon passende Loks im Programm hat: BR 38.10, 218, und E 41.
Klaus Kosack
Literatur:
H. J. Obermayer, Taschenbuch Deutsche Reisezugwagen, Stuttgart 1978
H. Hoyer, Die vierachsigen Umbauwagen der DB, in: Umbau- und Reko-Wagen von DB und DR, EK-Spezial 82, Freiburg 2006
Lehmann/ Pflug, Der Fahrzeugpark der DB und neue von der Industrie entwickelte Schienenfahrzeuge, Berlin o.J. (um 1956)
Wagner/Wagner/Deppmeyer, Reisezugwagen deutscher Eisenbahnen, DB und DR, EFA, Bd. 6.2, Berlin 1987
K. Kosack, Neue Umbauwagen von Minitrix, Blog DM Toys 10/ 2021