01/2025 von Klaus Kosack
Mitte der 50er Jahre beschaffte die DR zwei- und vierteilige Gliederzüge. Dabei stellte sich bald heraus, dass bei Defekt z.B. einer Achse der ganze Gliederzug zur Reparatur auf das Abstellgleis musste. Das war unwirtschaftlich und so sann man auf Abhilfe. Ein Blick zum „Klassenfeind im Westen“ brachte die Idee: Anfang der 50er Jahre stellte die DB kurze (22,4 m) und lange (26,4 m) Doppelstockwagen in zwei kleinen Serien in Dienst. Aber die DB verwarf diese Idee und baute bis in die 1990er Jahre nur einstöckige Reisezugwagen. Die Idee der 1950er Jahre der DB, übernahm wohl die DR. So war der Gedanke nach Doppelstock-Einzelwagen geboren. Waren doch die Gliederzüge in Bezug auf Änderungen der Fahrgastzahlen und bei Schäden recht unflexibel. Ende der 60er Jahre hatte die DR schon Pläne für diese Fahrzeuge auf dem Tisch und beauftrage die Fa. VEB Waggonbau Görlitz solche Fahrzeuge zu entwickeln. Auf der Frühjahrsmesse 1972 war es denn so weit: die ersten beiden Fahrzeuge waren fertig und konnten vom Publikum bewundert werden. Der Vorteil lag auf der Hand: Die Reisenden konnten sich wegen der Übergänge besser im Zug verteilen und Schadwagen konnten sofort ausgereiht werden. Ein kleinerer Nachteil soll nicht verschwiegen werden: Die Einzelwagen hatten mit 44 t Eigengewicht rd. 7 t mehr auf dem Buckel wie die Teilwagen der Gliederzüge.
Vorbild
In Serie ging der Wagen ab 1974, nachdem die Wagen getestet und als brauchbar gefunden wurden. Auch die beiden Erstwagen wurden von der DR übernommen. Bis 1991 wurden 455 der Bauart DBmue zuzüglich 120 Steuerwagen der Bauart DBmqe in Dienst gestellt. Für die Waggonindustrie der DDR waren die Wagen ein Verkaufsschlager: Die ČSD, MAV, JŻ und PKP bestellten diesen Wagentyp auch. So wurden insgesamt über 1.400 Wagen gebaut.
Die Wagen waren 26,8 m lang, wogen leer 48 t und hatten einen Achsstand von 22,0 m. Die Wagen hatten im Oberstock 64 Sitze, im Zwischenstock 16 Sitze und im Unterstock 48 Sitze, zusammen 128 Plätze in Kunstlederstoff und gepolstert. Damit dürfte der Wagen zu den deutschen Wagen gehören mit den meisten Sitzplätzen. Die Drehgestelle gehören zur Bauart Görlitz VI. Dabei wurden 2 Bremsen verbaut: Klotzbremse für 120 km/h und Scheibenbremse für 140 km/h.
Ab 1994 gab es einen neuen Eigentümer der Wagen: Die DB AG. Sie gab den Wagen neue Bauartnummern: Aus den DBmue wurden je nach Ausstattung DBmu743, DBmuz745 oder DBmuz746, die Steuerwagen als DBmq771, DBmqz773, DBmq775 oder DBmq776 eingereiht. Ab 1992 begann das RAW Wittenberge mit der Modernisierung der Wagen. Sie bekamen neue mit Stoff bezogene Sitze und auch neue Einstiegstüren.
Eingesetzt wurden die Wagen gerne im Berufsverkehr größerer Städte, wie z.B. in Leipzig, Dresden, Berlin (Sputnik-Züge), Rostock u.a.m. Hier kamen vornehmlich die Wagen mit 120 km/h zum Einsatz. Im Binnenferienverkehr wurden auch die 140 km/h schnellen Wagen eingesetzt, aber auch im Binnenfernverkehr. Bei diesem Wagentyp gab es keine 1. Klasse. Wurde die 1. Kl. benötigt, musste man z.B. einen Ame oder ABme aus der jüngeren OSShD-Serie am Zugschluss einstellen.
Die ersten Wagen waren im klassischen DR-Grün gestrichen. In den 1980er Jahren bekamen die Wagen bei einem speziellen Einsatz einen zweifarbigen Anstrich, so beige/ grau (Dach und Unterstock beige, Fensterband im Mittelgeschoss grau), die Sputnik-Züge um Berlin waren sogar dreifarbig gestrichen (Unterstock rot, Dach grau und Fensterband Obergeschoss ebenfalls grau- mit roter Zierlinie zwischen Dach und Mittelgeschoss). Die DB AG lackierte die Wagen ab Mitte der 1990er Jahren nach ihren Vorschriften ab. Der Farbwechsel wurde auch bei den Steuerwagen vollzogen. Zum Abschluss hier ein Vorbild-Foto und eine Fahrzeugskizze des Wagens.
Modell
Es ist nicht der erste Doppelstöcker dieser Bauart in N. Im Jahre 2011/12 brachte Kuehn diese Bauart heraus, den Sitz- und Steuerwagen. Auch eine Version der PKP war damals mit dabei. Hier ein Bild der PKP-Variante.
Kuehn hat vor zwei Jahren seine Modellfahrzeuge in allen Spurweiten H0, TT und N eingestellt, sodass der Wagen nicht mehr erhältlich war. Hier fällt die große Übereinstimmung zwischen dem Kuehn und Fleischmann-Wagen auf. Offenbar hat Fleischmann die Kuehn-Formen übernommen, deswegen konnte so schnell geliefert werden.
Hier folgen Fotos der Fleischmann-Neuheit:
Es folgen Detail-Fotos des Wagens:
Am Kuppelabstand gibt es nichts zu meckern. Die beiden Wagen fuhren auf der Club-Anlage ohne ungewolltes Entkuppeln.
Der Wagen hat keine internationale Zulassung und darf nur im Binnenverkehr der DDR eingesetzt werden. Die Wagen haben Klotzbremsen und dürfen maximal 120 km/h laufen. Beheimatet sind die Wagen in Leipzig Hbf. Sichtbar sind die roten Kunstledersitze der Inneneinrichtung.
Gut ist die Verwendung zweier Drehgestelle, eines mit und eines ohne Generator.
Gut fand der Verfasser die einfache Ausführung des Unterbodens, den man im Anlagenbetrieb ohnehin nicht sehen kann. Das Dach ist grau eingefärbt.
Das obenstehende Bild zeigt den Übergang zum nächsten Wagen. Auffällig ist die Revisionsklappe über dem Übergang. Dahinter verbarg sich die Heizung, die oberhalb des Oberstocks lag. Böse Zungen behaupteten, es wäre ein Geheimgang für die Stasi, damit sie unerkannt von Wagen zu Wagen kriechen konnten.
Einsatz auf der Modellbahn
Wie schon erwähnt, sind die Wagen ab Ep. IV recht universell einsetzbar. Im Nahverkehr mit einem oder zwei Wagen, gezogen von einer Dampflok der BR 62, 86 oder 38.10. Diesellokliebhaber können hier die BR 110 oder 106 einsetzen, bei längeren Zügen auch die BR 118. Ellok-Fans können hier die BR 243, 242 oder 244 einsetzen. Alle Loks gibt/ gab es in N. Nur zu beachten ist, dass dem Wagen die internationale Zulassung fehlt. Also muss die Anlage ein DDR-Vorbild haben. Wenn man das Ganze nach 1990 spielen lässt, war auch ein Einsatz bei der DB denkbar.
Fazit
Damit hat Fleischmann einen maßstäblichen Wagen entwickelt, der 16,7 cm lang ist und nach den neueren Speisewagen der DSG zu den längsten Sitzwagen der Modellbahn-Industrie zählt. Wegen der Länge der Wagen sollte man keine zu engen Radien auf der Anlage verwenden, sonst liegt die Wagenmitte neben den Schienen. Das ist bei R1 der Fall, wo aber die Wagen problemlos durchrollen. Das Modell ist hervorragend gestaltet, ein Lob für die Formenbauer von Fleischmann. Hier hat wohl Fleischmann die Kuehn-Formen weiterverwandt. Schade, dass das Set mit dem Steuerwagen Ende Dezember 2024 (noch) nicht lieferbar ist. Kurz: Ein langer Wagen der DR, der häufiger beim Vorbild war und es kein Konkurrenz-Modell gibt.
Klaus Kosack
Literatur:
M. Dahlbeck, Reisezugwagen der DDR, Stuttgart 2023
Th. Estler, Typenkompass- Reisezugwagen der DDR, Stuttgart 2012