03/2020 von Jürgen Plack
Bei der Münchner Verkehrsausstellung im Jahre 1953 wurde die V 200 001 der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese vierachsige, dieselhydraulische Lokomotive war für den Einsatz vor Schnell-, Personen- und Güterzügen konzipiert. Mit ihren 2000 PS – daher V 200 – konnte die von Krauss-Maffei entwickelte Lok eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h erreichen.
Sie beeindruckte durch ein überaus gelungenes Äußeres. Ihr „Markenzeichen" war das an den Lokenden heruntergezogene graue "V".
Den Entwicklern war ein großer Wurf gelungen, der Kraft und Eleganz überzeugend in sich vereinte. Kein Wunder, dass sie oft auf Werbematerial der jungen Deutschen Bundesbahn zu sehen war.
Ab 1954 wurden die fünf Vorauslokomotiven V 200 001 bis V 200 005 ausführlich erprobt. Da sich hierbei herausstellte, dass die Motorleistung doch etwas gering bemessen war, wurde für die Serienfertigung von 50 Lokomotiven ab 1955 eine Leistung von 2200 PS verlangt. Kurze Zeit später wurden dann noch einmal 31 Lokomotiven nachbestellt, so dass die DB über insgesamt 86 V 2000 verfügte.
Im Oktober 1980 wurde die letzte der Vorserienloks, die jetzt 220 hießen, ausgemustert. 1984 kam dann auch das Ende für die bei der DB verbliebenen 2000, nachdem zuvor noch einige der Lokomotiven an die Schweiz und an Italien verkauft worden waren.
Krauss-Maffei wurde 1960 beauftragt, eine Variante der V 200 mit einer Leistung von jetzt 2700 PS zu entwickeln, weil die gestiegenen Anforderungen im Reiszugdienst die 86 V 2000 langsam aber sicher an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit brachten. Bei nahezu gleichen Hauptabmessungen und gleichem Design war die V 2001 an ihren jetzt steileren Fronten zu erkennen. Das charakteristische "V" blieb erhalten, die bei der V 2000 an den Seiten vorhandenen "publikumswirksamen" Maschinenraumfenster mussten dagegen Lüftungsgittern weichen.
Im November 1962 wurde die erste der neuen Loks an die DB übergeben, ab 1963 waren die ersten 20 V 2001 im Plandienst unterwegs.1965 wurden dann alle 50 Loks ausgeliefert. Bis 1988 wurden sämtliche jetzt als 221 bezeichneten Lokomotiven bei der DB ausgemustert, nachdem sie sich für mehrere Jahre noch im schweren Güterzugdienst nützlich gemacht hatten. 20 Loks gingen an deutsche Privatbahnen, einige wurden nach Griechenland und Albanien verkauft.
Angesichts der Attraktivität der V 200 wundert es nicht, dass Arnold 1960 für seine „rapido 200" als erstes Lokmodell eine V 200 produzierte. Nach heutigen Maßstäben war diese stark verkürzte Lok mit ihrer einfachen Blechhakenkupplung eigentlich eine Karikatur, damals aber eine kleine Sensation.
1965 wurde sie durch eine Neukonstruktion abgelöst, die man jetzt als echtes Modell bezeichnen konnte, obwohl sie immer noch etwas zu kurz geraten war – 107 statt richtiger 115 mm. Sie hatte nun verglaste Führerstände, Dreilicht-Spitzensignal mit Fahrtrichtungswechsel und natürlich die N-Normkupplung.
1977 stellte Arnold die dritte Generation seiner V 200, nun als DB BR 221 beschriftet, vor. Jetzt hatte sie endlich die richtige Länge, und wurde auch in einer Version mit der Simplex-Rangier-Kupplung angeboten.
10 Jahre später erweiterte Arnold sein Programm durch ein Modell der Vorserien-V 200 001 mit Maschinenraumfenstern und einem erhabenen Schriftzug „DEUTSCHE BUNDESBAHN“. 1990 erschien sie dann ebenfalls mit Simplex-Kupplung.
2011 gab es eine Vorserien-V 200 als 220 004-6 ohne seitlichen Schriftzug, dafür mit „DB-Keks". Hinter den Maschinenraumfenstern war erstmals eine Attrappe der Antriebsaggregate zu sehen.
Aktuell gibt es von Arnold keine V 200-Ausführung mehr.
Fleischmann bewarb sein H0-Modell jahrelang mit dem Slogan „Selbst Experten seh´n verwundert auf die Fleischmann V 200“. Um so verwunderter waren die Experten dann, als es bis 2003 dauerte, ehe Fleischmann eine hervorragend detaillierte V 2001 in N herausbrachte.
2006 wurde die von vielen V 200-Fans (zu recht?) ungeliebte Version in ozeanblau/beige nachgeschoben.
Drei Jahre später gab es einen „Doppelpack" mit einer motorisierten und einer unmotorisierten Lok mit Sound-Decoder. Auch an die Analogbahner hatte man damals schon gedacht – die Fahrgeräusche waren auch im Analog-Betrieb zu hören.
Im Katalog 2011 waren alle V 200-Versionen verschwunden. 2012 war die altrote DB-Ausführung jedoch wieder da. 2015 erschien die ozeanblau/beige Variante mit Sound, 2016 auch wieder in Analog-Ausführung.
Früher als Fleischmann, nämlich 1967, hat Minitrix die V 200 für sich entdeckt. Das Modell der Ursprungsversion war stark verkürzt, hatte vorbildwidrig ausschwenkende Pufferbohlen, aber immerhin schon Dreilicht-Spitzensignal mit Fahrtrichtungswechsel. 1973 wurde sie mit der Trix-eigenen Mehrzugsteuerung ems ausgerüstet vorgestellt.
Ein Jahr später wurde die Ursprungsausführung durch die 221 ersetzt, aber die beweglichen Pufferbohlen waren immer noch vorhanden.
Doch 1977 war das vorbei. Minitrix stellte eine hervorragend detaillierte 221 in maßstäblicher Länge und endlich mit feststehender Pufferbohle vor. Wie nicht anders zu erwarten, erschien sie 1978 auch in der ozeanblau/beigen Version. Aktuell ist eine Vorserienversion in Ganzmetallausführung mit Glockenankermotor und Schwungmasse im Programm.
Auch Roco kam an der V 200 nicht vorbei. 1987 erschien die sehr gut detaillierte und mit Schwungmasse versehene V 200 027 mit dem Schriftzug „DEUTSCHE BUNDESBAHN". Bald darauf folgten die 220 027-7 und die ozeanblau/beige 220 012-9. Durch die seitlichen Fenster war eine aufgedruckte Maschinenraum-Attrappe zu sehen. Alle Loks zeichneten sich durch sehr gute Fahreigenschaften aus.
2008 stellte Roco das N-Programm komplett ein.
Neben den zahlreichen DB-Varianten erschienen von allen Herstellern außer Roco noch etliche Modellnachbildungen von Privatbahn- und/oder ins Ausland verkauften V 200, auf die hier nicht eingegangen werden soll.
Und jetzt also Piko! Angeboten werden wunderschöne Epoche 3 (V 200 123) und Epoche 4 (V 221 115-9) Varianten, jeweils in Analog- und Digital-Ausführung.
Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sich die Digitalversion im Analogbetrieb verhält. Für viele Analog-Fahrer könnte sie ja interessant sein, da einige der Sound-Funktionen auch hier funktionieren. Doch zunächst:
Die Optik
Das Modell gibt das Gesamterscheinungsbild des Vorbildes hervorragend wieder. Die Lackierung ist sehr sauber, die Farbtrennkanten völlig „fransenfrei". Die Griffstangen an den Lokfronten und neben den Türen, deren Drücker und die kleinen Regenrinnen über den Türen sind alle sehr exakt lackiert, was auch für das charakteristische „V" an den Fronten und dessen Zierlinien gilt.
Hinter den Führerstandsfenstern ist die Andeutung einer Inneneinrichtung zu sehen, hinter den kleinen seitlichen Fenstern eine plastisch gearbeitete Nachbildung von Teilen des Maschinenraumes – und das sogar auf beiden Seiten unterschiedlich - bravo! Sämtliche größen- und farbrichtigen Anschriften sind mit einer starken Lupe einwandfrei lesbar.
Ein besonderer optischer Genuss sind die luftigen Drehgestellblenden. Früher war es allgemein üblich, dass diese von unten verschraubt waren, und so problemlos abgenommen werden konnten. Heute sind sie bei Piko und bei fast allen N-Herstellern fast immer geklipst. Viel Spaß beim irgendwann notwendigen Haftreifenwechsel, zumal wenn einen, wie bei der Piko-V 200 die Bedienungsanleitung, dazu im Stich lässt.
Detailliert ausgeführte Frontschürzen liegen der Lok bei, sind aber laut Bedienungsanleitung nur für Vitrinenmodelle gedacht.
Gar keine Kritik? Doch! Die Lok hat vier gewölbte Puffer. Richtig wäre in Fahrtrichtung rechts gewölbt, links flach. Im Anlagenbetrieb dürfte dieses kleine Manko allerdings kaum auffallen. Und: Die Chromrahmen um die seitlichen Führerstandsfenster und um die Gitter an den Lokseiten scheinen etwas zu kräftig geraten zu sein. Das war´s dann aber auch schon. Das Optik-Fazit kann trotz dieser winzigen Mängel nur lauten: Hervorragend
Die Technik
Die Voraussetzungen für ordentliche Fahreigenschaften sind sehr gut. Stromabnahme von allen Rädern, diagonal angeordnete Haftreifen auf je einem Rad der inneren Achsen, Motor mit zwei Schwungmassen.
Nach der in der Bedienungsanleitung etwas versteckten Empfehlung einer 25-minütigen Einfahrzeit, (bei 11 V – warum weiter unten) wird die Lok aufs Gleis gestellt und los geht´s!
Der Analog-Fahrregler wird vorsichtig aufgedreht und dann tut sich Folgendes: Bei einer Spannung von 1 Volt geht die Front- und Schlussbeleuchtung deutlich sichtbar an. Bei 4 Volt ertönt ein leises Rauschen, das immer wieder kurz abbricht, dabei geht auch die Beleuchtung kurz aus. 6 Volt: Ein recht vorbildlich wirkendes Anlass-Geräusch ertönt, der „Diesel“ will allerdings noch nicht anspringen. Das macht er erst bei 10 Volt deutlich hörbar. Bei 11 Volt steigert er vernehmlich seine Drehzahl, die Lok fährt weich an und nimmt konstant, wenn auch ganz leicht ruckelnd, Geschwindigkeit auf. Beim Zurücknehmen der Fahrspannung ist Vorsicht geboten – sehr schnell kommt die 221 dann unter lautem Bremsenkreischen zum Stillstand. Bei plötzlichem Ausbleiben des Fahrstroms bleibt sie schlagartig stehen. Der Decoder macht die Wirkung der Schwungmasse zunichte – kein Auslauf.
Die Stromabnahme ist sehr sicher. Auch Schleichfahrt mit 11 km/h über Weichenstraßen mit Kunststoffherzstücken und/oder Kreuzungsweichen stellt kein Problem dar. Dabei liegt die Lok ebenso wie bis zur Höchstgeschwindigkeit (sie erreicht umgerechnet 120 km/h, 20 km/h weniger als das große Vorbild) auf der Strecke vorbildlich ruhig und ohne Zittern im Gleis. Und es bereitet ihr, auch auf Grund ihres Gewichtes von 102 Gramm, keine Schwierigkeiten, einen Zwölfwagen-Schnellzug auf einer 2,5-prozentigen Steigung sicher anzufahren. Dieser hängt an einer Normkupplung, und diese wiederum ist in eine Kurzkupplungskulisse eingeklipst. Gar keine Kritik? Doch! Die rote Schlussbeleuchtung ist im Analogbetrieb nicht abschaltbar, was auch für den Sound wünschenswert wäre.
Hier wären zwei kleine Schiebschalter am Fahrzeugboden ganz nett: einer zum Abschalten der Schlussbeleuchtung, der zweite, um den Decoder „elektrisch" zu umgehen, und damit für gewohnt "analogtaugliche" Fahreigenschaften zu sorgen. Nur mal so eine Anregung für künftige Modelle...
Wartung und Pflege
Dazu gibt es für den Analog-Fahrer nicht viel zu sagen. Die Bedienungsanleitung empfiehlt nur „bei häufigem Fahrbetrieb die Achslager mit einem Tropfen... zu ölen". Da der Motor wartungsfrei zu sein scheint, und obwohl sie deshalb eigentlich nicht geöffnet werden muss habe ich das Öffnen der Lok nach Anleitung versucht. Zwei winzige Schrauben am Fahrzeugboden entfernt, dann versucht das Gehäuse nach oben abzunehmen - und bin daran gescheitert - es hat sich nicht gerührt. Da das gute Stück ja nicht beschädigt werden sollte, habe ich es auch nicht mit Gewalt versucht. Laut Anleitung gibt es „eine ausführliche Bedienungsanleitung“ unter www.piko.de/download. Dort erscheint dann, nach Eingabe der Artikelnummer, eine ausführliche, bebilderte Ersatzteilliste und eine Anleitung zum Umgang mit dem verbauten Decoder.
Auf dieser Seite ganz unten dann der entscheidende Hinweis: Im Gleichspannungsbetrieb wird Ihr Fahrzeug erst bei höherer Spannung (Fahrregler weiter aufgedreht) anfahren, als Sie es eventuell im Betrieb mit analogen Fahrzeugen gewohnt waren. Solch ein elementarer Hinweis für Analogbahner sollte doch auch in der der Lok beiliegenden Anleitung für die Digital-Version stehen…
Das Fazit
Piko hat ein wunderschönes Modell der 221 auf den Markt gebracht. Manch ein Analog-Fahrer dürfte versucht sein, das Digital-Modell zu erwerben, da es doch auch im Digitalbetrieb Fahrgeräusche ertönen lässt.
Er muss aber darauf gefasst sein, eine längere „Lokführerausbildung“ auf dieser Lok absolvieren zu müssen. „Einfach Regler aufdrehen und losfahren“ ist nicht mehr. Ein sehr einfühlsamer Umgang mit dem Regler ist angesagt und sobald dieser erlernt ist, kann diese Piko-Lok durchaus viel Spaß bereiten.
Anhängern der „reinen Analog-Lehre“ sei aber trotzdem eher zur Analog-Version geraten, zumal diese Dank einer Next-18-Schnittstelle ja später immer noch digitalisiert werden kann.
Bei UVPs von 209,99 €, bzw. 109,99 € für die analoge Ausführung kann man von einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis sprechen.