12/2018 von Klaus Kosack
Es lag ja förmlich in der Luft, dass Brawa mit der Serie von G 10 ohne Bremserhaus da nicht stehen bleiben wird. Auf der Messe 2018 wurde die Variante mit Bremserhaus angekündigt, wobei zum Start gleich zwei Bremserhaus-Bauarten angekündigt wurden. Dazu wurde die Variante als Wärmeschutzwagen offeriert. Bei der Erstankündigung gab es 20 verschiedene Güterwagen mit Bremserhaus, die noch im gleichen Jahr zur Auslieferung kamen. 16 Wagen waren Bierwagen, die eine andere Türe als die Regelgüterwagen aufweisen.
Vorbild
Kein gedeckter Güterwagen in der ganzen Welt wurde so häufig gebaut, wie die Verbandsbauart A2, die späteren Reichsbahn Gattungsbezirke Kassel, München und Karlsruhe. Bei der DB hieß er G 10 und einige Exemplare erlebten noch die UIC-Zeiten als Gklm 193. Sagenhafte 121.770 Wagen verließen zwischen 1910 und 1927 die Werkshallen. Damit dominierte dieser Wagen bei den gedeckten Güterwagen in Deutschland. Bis weit in die 50er Jahre prägte der Wagen das Bild der Güterzüge. Durch Kriege und Reparationsabgaben gelangte der Wagen zu den meisten Nachbarbahnen Deutschlands.
Gut ein Drittel der beschafften Wagen hatten ein Bremserhaus, etwa ein Viertel der neu gebauten Wagen hatte nur eine durchgehende Luftdruckleitung und keine Bremse.
Ende der 30er Jahre stellte sich heraus, dass die Kopfseiten der Wagen zu verstärken waren und man baute in den Endfeldern halbhohe Diagonalstreben ein, zumal die Wagen mit Bremsen ausgestattet und wegen höherer Geschwindigkeiten die Wagen stärker belastet wurden. Dieser Umbau der Wagen reichte bis in die 50er Jahre hinein. Zudem wurden die Seitenwände der Wagen besser abgedichtet. Solche Wagen bekamen um das Gattungszeichen ein „oo“ angemalt. Auch die Dächer der handgebremsten Wagen machten Sorgen: Um dies zu begegnen, kürzte man das Bremserhaus oder baute es ganz ab. Diese Wagen waren am kurzen Überstand an einem Ende erkennbar. Auch bei den Dächern der G 10 beschritt man neue Wege: Statt des bitumengetränkten Stoffdach deckte man in den 50er Jahren die Wagen teilweise mit einem Blechdach ab, die an den auf gefalzten Plattennähten erkennbar waren. Ferner bekamen die meisten G 10 ab Mitte der 20er Jahre eine Druckluftbremse, um sie universeller einsetzen zu können.
Bild 1: Zeichnung ged. Güterwagen A2, Quelle: Hoff, Das Dt. Eisenbahnwesen der Gegenwart, Berlin 1911
1934 waren 121.770 Wagen im Bestand; 1952 zählte die DB 35.600 Wagen als Eigentum, das war etwa die Hälfte aller G-Regelbauarten. Ende der 50er Jahren verblasste der Stern des G 10 zusehends: Modernere Güterwagen mussten her und man zerlegte den G 10, um aus ihm den Umbau-Gms 54 und Gmms 60 zu bauen. Hier verschwanden auch die letzten G 10 mit Bremserhaus.
Nach 1945 erhielten die bei der DR verbliebenen A2 die Gruppennummern „04“ und „05“, von 04-01-01 bis 04-52-99 und 05-01-01 bis 05-58-99.
Die DB wies der neuen Bauart G 10 den Nummernbereich 110 000 bis 139 999 für Wagen ohne Bremserhaus zu, für Wagen mit Bremserhaus den Nummernbereich 140 000 bis 149 999.
Damit war der G 10 ein „Feld-, Wald- und Wiesenwagen“, der zwischen 1910 und 1960 in fast jeden Güterzug vertreten war, so zu sagen ein „Muss“ für jeden Modellbahnhersteller.
Weitere Vorbildinformationen können hier gelesen werden: https://www.dm-toys.de/blogartikel/items/g10-von-brawa.html
Modell
Alle Großserien-Hersteller hatten irgendwann mal einen G 10 im Programm, allerdings wagten sich nur drei Produzenten an die Variante mit Bremserhaus: 1970 kam Arnold als Erster mit der Bauart mit Bremserhaus heraus. Im Jahre 2011 legte Arnold den Wagen nochmals auf, diesmal jedoch mit einer Kurzkupplungsmechanik. Die Bauart mit Bremserhaus kam sogar auf 182 verschiedene Varianten, zumeist als Wärmeschutzwagen, wobei in den allermeisten Fällen es kein reales Vorbild gab. Bei allen Arnold-Wagen stimmte weder der Achsstand noch die LüP. Auch die Beschriftung war anfangs unvollständig.
Bild 2: Arnold G 10 mit Bremserhaus #4275
Übersicht G 10- Güterwagen mit Bremserhaus in N (Grundmodelle)
Best.-Nr. |
erstes Bj. |
Epoche |
LüP |
Achs-stand |
Wagennr. |
mit Brhs. |
Anz. Bretter-fugen |
mit KK |
Lüfter-klappen |
Ver-stärkt |
Vorbild 1:160 |
1909 |
-- |
60 |
28,1 |
--- |
X |
13 |
- |
2 |
|
A 0423 |
1970 |
III |
59,7 |
31,5 |
ohne |
X |
12 |
- |
2 |
- |
HN6165* |
2011 |
III |
59,7 |
30,7 |
131 442 |
X |
12 |
X |
2 |
- |
F 8365 |
1983 |
III |
59,9 |
29,5 |
145 864 |
X |
12 |
- |
2 |
X |
F 8867 |
1989 |
I |
59,9 |
29,5 |
608 249 P |
X |
12 |
- |
2 |
- |
F 835703 |
2015 |
III |
59,8 |
29,5 |
529 901 P |
X |
12 |
X |
2 |
X |
B 67454 |
2018 |
II |
60,0 |
28,5 |
24 655 Ksl |
X |
13 |
X |
2 |
- |
B 67453 |
2018 |
III |
60,0 |
28,5 |
144 607 |
X |
13 |
X |
2 |
X |
B 67472 |
2018 |
III |
60,0 |
28,5 |
512 123 P |
X* |
13 |
X |
- |
- |
B 67471 |
2018 |
III |
60,0 |
28,5 |
538 022 P |
X |
13 |
X |
- |
- |
A/HN: Arnold, F: Fleischmann, B: Brawa, * verkürztes Bremserhaus
13 Jahre später trat Fleischmann mit seinem G 10 auf den Plan. 1983 erschienen der G 10 mit und ohne Bremserhaus. Die Stummelpuffern waren inzwischen aus der Mode gekommen und daher waren die Wagen schon maßstäblicher. Die Beschriftung der Wagen war aber völlig daneben: Ein Mix aus DRG- und DB-Beschriftung, wie man auf dem Foto sieht. Der Braunton des Wagens war etwas zu rötlich. Auch Fleischmann nutzte seinen G 10 als „Wärmeschutzwagen“, von den bisher erschienenen 45 Varianten (davon 21 ohne Bremserhaus) waren 19 „Wärmeschutzwagen“ (davon 13 mit Bremserhaus). Offenbar sind bunte Wagen mit Bremserhaus ein Verkaufsargument, egal ob vorbildfrei oder nicht. Fleischmann bot als einziger seinen G 10 mit einem Blechdach an, durchgängig über alle Epochen!
Bild 3: Fleischmann G10 mit Bremserhaus
Allen bisher besprochenen Kandidaten ist gemein, dass ihre Seitenwände nur 12 Bretterfugen aufweisen, statt wie beim Vorbild deren 13.
Wohl beflügelt durch den Verkaufserfolg der HO-Güterwagen entschied sich 2015 Brawa, einen G 10 für N zu entwickeln und noch im gleichen Jahr auszuliefern, was sie auch geschafft haben. 2018 kam die nächste Variante mit Bremserhaus in den Handel.
Als Grundmodell wählte Brawa einen A2 mit Bremserhaus im Zustand Mitte der 50er Jahre. Eine Version hat die typischen Endfeld-Verstärkungen sowie eine Druckluftbremse, Zutaten der Bahn aus der Zeit von 1938 bis 1954. Was aus den Neuheitenbildern nur schwer erkennbar war, hat Brawa auch den Wagen ohne Endfeldverstärkung nachgebildet, als Wagen der Epoche II. Wer noch genauer auf die Fotos der angekündigten Wagen sah, konnte auch die Variante mit gekürzten Bremserhaus entdecken. Freilich waren alle Fotos von HO- Güterwagen, fraglich war, ob Brawa hielt, was auf den Fotos zu sehen war.
Zum Start der G 10 Wagen mit Bremserhaus wurden gleich 20 verschiedene Wagen angekündigt, 4 Regelgüterwagen und 16 Bierwagen. Bei den Bierwagen haben vier Wagen ein verkürztes Bremserhaus.
Fazit des Testers: Brawa hat Wort gehalten. Es gibt zwei Bauarten der Bremserhäuser. Konstruktiv wurde der Wagenkasten fast komplett von der Version ohne Bremserhaus übernommen, mit und ohne Endfeldverstärkung. An dem Rahmenteil hat man ein ca. 6 mm Verlängerung angespritzt, die zugleich den Boden des Auftritts darstellt. Dabei musste auch die Kurzkupplung verlängert werden. Ansonsten ist der Wagen baugleich mit der Version ohne Bremserhaus.
Bild 4: Brawa G10 mit Bremserhaus DB
Bild 5: Brawa Kassel mit Bremserhaus DRG
Bild 6: Brawa Wärmeschutzwagen Dom Kölsch
Bild 7: Brawa Wärmeschutzwagen „Stuttgarter Hofbräu“ verkürztes Bremserhaus
Der Wagen rollt leicht über alle Weichenkombinationen und Gleissysteme. Aufpassen muss man beim Auspacken der Wagen: Bei einem Testkandidaten lag ein Bremsertritt lose in der Verpackung, die wieder in die Seitenwand eingesteckt werden müssen. Zusätzliche Sicherheit könnte ein winziger Tropfen Kleber bieten. Völlig neue Wege ging Brawa bei der Wagenkonstruktion: Das durchbrochene Fahrgestell bildet einen eigenen Bauteil, das Dach ist abnehmbar und am Boden ist das Beschwerungsgewicht eingeschraubt.
Bild 8: Brawa G10 innen
Bild 9: Brawa G10 unten (oben ohne Brhs unten mit Brhs)
Fazit des Autors:
Brawa hat den maßstäblichsten G 10 aller Zeiten herausgebracht. Ein Wagen, der Pilsener Urquell, war bereits nach wenigen Tagen im Handel vergriffen.
Auch im direkten Vergleich der Neuheit mit seinen Vorgängern macht der G10 eine gute Figur, wie die nach stehende Bilder zeigen:
Bild 10: Brawas G 10 mit und ohne Bremserhaus
Bild 11: Vergleich Brawa (li) und Arnold (re) G10
Bild 12: Vergleich Brawa (li) und Fleischmann (re) G10
Auf Bild 13 kann man die verschiedenen Bauarten des Bremserhauses vergleichen. Richtig ist nur das Bremserhaus von Brawa in der Mitte, die anderen beiden sind wohl eher Phantasie.
Bild 13: Bremserhäuser G 10 von vorne
Weiterer Kommentar zu den oben gezeigten Bildern erübrigt sich!
Einsatz auf der Modellbahn
Als der typische gedeckte Güterwagen deutscher Bahnen ist er grade zu ein „Muss“ für jeden Modellbahner, am besten gleich in mehrfacher Ausführung. Der Wagen kann universell in jeden Güterzug aller Gattungen der Epochen I bis III eingestellt werden, wobei in der Epoche IV der Wagen mit Bremserhaus nicht mehr gab. Natürlich kann der Wagen auch in einen GmP oder PmG (Güterzug mit Personenbeförderung bzw. Personenzug mit Güterbeförderung) eingestellt werden. Wegen seiner Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h kam er für Schnellgüterzüge weniger in Frage. Für Fans bunter Wagen seien die ausländischen bzw. Privatwagen, zumeist sind das Wärmeschutzwagen (Bierwagen) empfohlen.
Fazit
Wie könnte es weitergehen? Wenn Brawa sich an seinen HO- G 10 orientiert, könnten sie den Wagen mit komplett abgebauten Bremserhaus herausbringen, bei dem der Rahmen auf einer Seite übersteht. Auch kann man das verkürzte Bremserhaus bei Wagen der Epoche III der Regelbauart anbauen. Der Umbau erfolgte nach dem II. Weltkrieg.
Aufgrund der Tatsache, dass dieser Wagentyp nach 1918 und besonders nach 1945 bei vielen europäischen Bahnen eine neue Heimat fand, kann Brawa eine Vielzahl von Varianten herausbringen, denn nicht nur alle Bahnen, die nach 1918 aus Reparationen Wagen aus Deutschland erhielten (Belgien, Frankreich, Luxemburg, Tschechoslowakei, Polen, Italien, Jugoslawien, Litauen, Lettland und Estland), kann der Wagen auch in Epoche II angeboten werden, sondern auch in Epoche III haben zusätzlich Dänemark, Niederlande, Rumänien, Ungarn und die UdSSR den Wagen in ihrem Bestand gehabt. Darüber hinaus haben ausländische Bahnen in den 20er Jahren den Wagen nach Deutschen Zeichnungen beschafft. Das ist eine Option von einigen 100 Varianten des Wagens, zuzüglich Privat- und Werbewagen (bereits 19 realisiert). Schön wäre es, wenn Brawa bei den Wärmeschutzwagen gleich ein Vorbildfoto mitliefern könnte. Ist das nicht der Fall, so muss man davon ausgehen, dass das Modell vorbildfrei ist. Warten wir mal die nächsten Messen in Nürnberg ab. Und noch eine Option: das Fahrgestell des Wagens kann für eine Vielzahl von Verbands- und Austausch-Güterwagen verwandt werden. Bemerkenswert ist, dass bei allen bisher erschienen G 10 aller Hersteller noch kein Vertreter einer östlichen Bahn (ČSD, PKP, MÁV usw.) dabei war. Und deutsche Wagen mit Zonen-Beschriftung des G 10 waren bislang Fehlanzeige, wie auch in HO. Auch kann der Wagen gealtert herausgebracht werden.
Brawa als No 5 den bisher maßstäblichsten G 10 auf den Markt gebracht und es ist zu hoffen, dass die Remshaldener nicht am Anfang des Weges stecken bleiben und uns noch viele Varianten bescheren werden, bzw. das Fahrgestell für weitere Wagen nutzen wollen.
Klaus Kosack
Lit.: Carstens/ Ossig, Güterwagen Band 1, Nürnberg 1989
F. Willke, Modellbahn Güterwagen Handbuch, Band 2, Düsseldorf 1978
Dt. Wagenarchiv, Stichwort Gklm 191, Loseblattsammlung, München ab 1994
Hoff, Das Deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart, Berlin 1911
Kosack, K., https://www.dm-toys.de/blogartikel/items/g10-von-brawa.html
Bei DM- Toys sind z.Zt. 23 der G10- Versionen mit Bremserhaus gelistet.