06/2022 von Klaus Kosack
Als eine Neuheit des Jahres 2022 hat Fleischmann (#24312) einen Halbspeisewagen der Bauart BRyl446 herausgebracht. Er gehört zu der Neuheiten Série, die Fleischmann 2019 mit den UIC-X Wagen angekündigt hatte. Wie kommt der Spitzname „Kakadu“ zustande? Ab Mitte der 60er Jahre entschied sich die DB Halbspeisewagen zweifarbig zu präsentieren. Das Speiseabteil in DSG-Rot und die Sitzwagenabteile in grün oder blau. So kamen die zweifarbigen Wagen zu ihren Spitznamen.
Vorbild
Eigentlich gehört der Halbspeisewagen mit der ursprünglichen Bauart CR4ümg-51 zu den Mitteleinstiegs- Eilzugwagen, die Arnold und Fleischmann im Programm hatten. Die DB beschaffte 35 Wagen dieser Bauart, hier wurde wegen der besseren Raumausnutzung auf den Mitteleinstieg verzichtet. Die Wagen hatten beim Vorbild 4 Abteile der 2. Klasse mit offenem Mittelgang mit zusammen 38 Sitzplätzen sowie eine Toilette. Im Speiseraum wurden 24 Sitzplätze angeboten. Wegen ihres Charakters, der eher einem Schnellzugwagen entsprach, wurden die Wagen anfangs überwiegend im Fernverkehr eingesetzt.
Wie sahen die Züge der DB aus, in denen diese Wagen eingesetzt wurden? Dem Autor liegen Zugbildungspläne (Zp AR I) der Jahre 1956 und 1972 vor.
Die Wagen wurden später vorwiegend in zweitklassigen D-Zügen auf Hauptstrecken abseits der großen Magistralen eingesetzt. Es fällt auf, dass 1956 der Wagen noch häufig in den LS- Zügen (Züge mit überwiegend Neubauwagen mit 26,4 m Länge) eingesetzt wurde, also fast „artrein“. Typischer Vertreter war der Tageszug D 503/ 504 Hagen- München, der ab Wiesbaden in folgender Reihung fuhr:
V 200 (Arnold, Minitrix, Roco) - Pw4ü-37 (Fleischmann, Minitrix) - B4ümg 54 (Minitrix)
BR4ymg 51 (Roco, Fleischmann) - 2x AB4ümg 55 (Ersatz: AB4ümg 63: Minitrix, Fleischmann) -B4ümg 54 (Minitrix)- B4ymg 51 (Arnold, Fleischmann) - ABymg 51 (Arnold, Fleischmann)
Also ein Zug mit Altbau-Packwagen, 4 Neubau-Schnellzugwagen und 3 Eilzug- Mitteleinstiegswagen = 8 Wagen.
Im Laufe der Zeit wanderten die Wagen mehr und mehr in zweitklassige Hauptbahndienste ab, sofern die da eingesetzten D-Züge überhaupt noch bewirtschaftet wurden. So konnte im Fahrplan 1972 für den Tageszug D 516/ 517 München- Dortmund folgende Reihung festgestellt werden:
Lok (110, Fleischmann) – 2 Bm (Minitrix/ Arnold) - BRyl (Roco/ Fleischmann) - 2 ABm (Minitrix, Fleischmann) - 2 Bm (wie vor) - Dms (Minitrix, Fleischmann) - ABm (wie vor).
Charakteristisch für viele Züge dieser Art war, dass sie in der Zielregion als Eilzüge ausliefen, so auch unser Beispielszug, der ab Düsseldorf bis Dortmund als Eilzug fuhr.
Heute sind alle 35 BRyl446 ausgemustert.
Das Modell
Schon zum vierten Mal wird uns in N ein Halbspeisewagen angeboten. Den Vorreiter machte die Firma Rivarossi, damals noch unter dem Verkaufsnamen „Atlas“, die 1971 den BRbuümh 283 in rot/ grün herausbrachte. Allerdings war das nur ein um lackierter 2. Klasse-Wagen italienischer Bauart, der nur so in etwa seinem Vorbild entsprach. Es fehlen z. B. die Nachbildung der Küchenfenster und Küchenabzug. Aber immerhin konnte man den Wagen auf den ersten Blick als Halbspeisewagen erkennen.
Arnold war der zweite Hersteller, der sich an den Halbspeisewagen BRbuümh 283 „wagte“, jedoch war der Wagen ganz in grün mit Schriftzug DSG- Speisewagenbüfett. Er ist 1974 durch Umbeschriftung des Büm 235 entstanden. Damit stimmten weder Grundriss und Dachform nicht mit dem Vorbild überein. Das Modell war wohl eher eine Karikatur des Wagens. Zeitweise gab es den gleichen Wagen auch in grün/rot.
Roco ist der dritte Hersteller, der sich mit einem Halbspeisewagen mit 2. Klasse beschäftigte und 1995 mit der Neuheit herauskam. Im Gegensatz zu den beiden Mitbewerbern hat Roco die ältere Bauart aus dem Eilzugwagenprogramm der DB aus den frühen 50er Jahren ausgewählt. Erkennbar sind die Wagen durch die größeren Einstiegstüren, die im Gegensatz zu den Nachfolgebauarten nicht faltbar sind. Ferner sind die Übergangstüren viergeteilt und die Schlusslichter sind oben unter dem Dach angebracht. Diese Punkte hat Roco bei seinem Modell berücksichtigt.
Das Modell ist in seinen Hauptabmessungen im Maßstab 1: 160 gehalten und besitzt als erster Halbspeisewagen eine Kurzkupplung. Die Trittstufen sind am Wagenkasten befestigt. Die Drehgestelle sind der Bauart MD-50 nachempfunden.
Was fällt sonst noch auf? Leider wurde das Dach dem Halbspeisewagen nicht angepasst, was insbesondere über der Küche auffällt: Es wurde der Rauchabzug über dem Herd vergessen. So entsprechen die Dachlüfter mehr eines normalen 2. Klasse-Wagens. Dafür sind die speziellen Küchenfenster nachgebildet worden.
Die auf dem Modell aufgebrachte Beschriftung ist größtenteils nur mit der Lupe lesbar und soweit erkennbar- inhaltlich korrekt. Das gilt auch für die Wagennummer 51 80 85-43 010-8. Beheimatet ist das Vorbild bei der BD Essen, Bww Hagen? Es fehlt (im Gegensatz zu früheren Roco-Wagen) lediglich ein Satz Zuglaufschilder.
Eine Besonderheit ist die Inneneinrichtung des Wagens: Im Speiseraum sind die Nierentische der 50er Jahre nachgebildet worden und im Sitzwagenteil sind die Sitze rechts und links neben dem Mittelgang nachgebildet worden.
Weiter folgte Roco seiner akzeptablen Philosophie der Zurüstung der Modelle durch den Käufer. Für die 4 Türen liegen 6 Griffstangen bei, zwei Spritzlinge mit je 4 durchsichtigen Linsen für die Schlusslichter. Ferner liegt ein schwarzes Zurüstteil ohne erkennbare Funktion- wahrscheinlich für ein Drehgestell, aber ein Bohrloch haben die Drehgestelle nicht. Ein Beipackzettel, der die Suche vereinfachen könnte, fehlt leider. Als Roco seine N-Produktion einstellte, verschwand der Wagen erst einmal in der Versenkung.
Im Jahre 2019 entschied sich Fleischmann, sich von seinen „Hochwasser“-D-Zug-Wagen zu verabschieden und kündigte als Neuheiten eine Serie von UIC-X-Wagen an, die tiefer liegen sollen. Dabei war auch der Halbspeisewagen (#863921), der 2022 ausgeliefert wurde. Mit Spannung wurde die Fleischmann-Neuheit erwartet. Auf den ersten Fotos der Firma sah der Wagen aus wie ein Abklatsch vom Roco-Wagen.
Und was musste der Autor feststellen? In der Tat ist die Neuheit im Formenbau fast eine 1:1 Kopie des Roco-Wagens. Zwei Punkte wurden verbessert: Die Schlussleuchten sind in Rot gehalten und die Aufstiegsgriffe an Türen sind montiert. Überdies fehlt jetzt der Steg bei den Fenstern der Türen, was erst viele Wagen bei der Neulackierung auf ozeanblau/ beige bekommen haben. Das wars! Die o.g. Fehler des Vorgängers wurden alle übernommen. Verbessert wurde noch die Beschriftung: So hat der Wagen jetzt ein Zuglaufschild Köln- Flensburg und an der Stirnseite ebenfalls Beschriftungen. Das silberne Dach des Roco-Wagens ist jetzt in grau gehalten.
Es folgen Fotos der Neuheit:
Man sieht gut, dass Fleischmann die Formen des Roco Vorgängers 1:1 übernommen hat.
Fazit
Licht und Schatten liegen bei der Fleischmann-Neuheit beieinander. Zur Vorbildauswahl kann man Fleischmann gratulieren, denn er ergänzt sinnvollerweise die Mitteleinstiegs- Eilzugwagen von Arnold (später auch von Fleischmann), sind aber leider nicht mehr im Handel. Es ist der erste Halbspeisewagen von Fleischmann. In den Proportionen und Hauptabmessungen ist der Wagen gut gelungen. Ärgerlich ist nur, dass in der Produktbeschreibung des Wagens kein Wort zu der Abstammung zu den Mitteleinstiegswagen gefallen ist. Alle groben Fehler des Roco-Vorgängers wurden 1:1 übernommen. Bei einem UVP von 43 € hätte man schon ein bisschen mehr erwarten können, meint der Autor.
Welche Varianten sind noch möglich?
Man sieht, da kann Fleischmann noch einiges tun.
Mit der neuen Farbgebung verloren die Wagen ihre Übersetz-Fenster und wurden mit Scheiben ersetzt. Schon ein Hinweis auf eine o/b- Variante? Denn die meisten Wagen hatten in Epoche IV noch den Steg der Übersetzfenster.
Um epochengerechte D-Züge zusammenstellen zu können, fehlen von den Neubauwagen Bauart 53 noch der 1./2. Klassewagen (bis heute nicht realisiert) und der AR4ümg 54 (ebenfalls nicht realisiert) für die blauen F-Züge. Inzwischen wurden immerhin die gemischtklassigen AB4ümg-63 als Modelle realisiert (Fleischmann und Minitrix).
Klaus Kosack
Literatur:
Lehmann/ Pflug, Der Fahrzeugpark der DB, Berlin 1957
S. Ebel, N-Katalog- Handbuch, Bd. 3, Epoche IV, München 1991
DB (Hrsg.), Zp AR I, Ausgaben 1956 und 1972
GeraMond Verlag, WAGEN, Das Archiv Dt. Reisezug- und Güterwagen, Blatt BRyl 446 (12 S.)