07/2020 von Klaus Kosack
Mitte der 30er Jahre war wieder nach der Weltwirtschaftskrise ein Aufschwung im Reich spürbar. Die Arbeitslosigkeit sank und die Leute hatten wieder Geld und konnten reisen. Da wollte die Reichsbahn der gestiegenen Nachfrage sich nicht länger verschließen und ließ von der Fa. Cedré in Kassel neue Wagen entwickeln. Zugleich war der Fortschritt in Schweißtechnik weiter gegangen, sodass erstmals komplett geschweißte Wagen gebaut werden konnten. Und last but not least: Es sollte den Reisenden in den neuen Wagen mehr Fahrkomfort angeboten werden.
Vorbild
Nach diversen Versuchsbauten in der ersten Hälfte der 30er Jahren, bekam die Waggonfabrik Credé in Kassel den Auftrag, komplett geschweißte D-Zugwagen zu entwickeln. Heraus kam ein Wagen mit 21,27 m langer Wagen, der gegenüber dem Vorgänger, dem C4ü-28 um 0,45 m kürzer war und mit 72 Sitzplätzen in 9 Abteilen acht Plätze weniger auswies. Ein Abteil wurde gestrichen. Mehr Reisekomfort war dadurch gegeben, dass die Abteile mit 1,70 m jetzt 10 cm breiter waren als bei den Vorgängern. In der 3. Klasse gab es nur Holzsitze, die köpergerecht an geformt waren. Polstersitze spendierte erst knapp 20 Jahre später die DB. Die Wagen konnten anfangs 120 km/h schnell laufen; nach späteren Umbauten sogar 140 km/h. Von der Bauart C4ü-35 wurden 150 Wagen gebaut; der äußerlich fast baugleiche Wagen C4ü-36 brachte es auf 847 Wagen und war damals der häufigste Schnellzugwagen zu DRG/ DRB-Zeiten. Verbaut wurden in beiden Wagen Drehgestelle der Bauart Görlitz III leicht (geschweißt). Die Drehgestelle hatten einen Achsstand von 3 m und wurden bei beiden Bauarten verbaut. Für jeden Wagen musste die Reichbahn rd. 65.000 RM hinblättern.
Um den Luftwiderstand zu senken, bekamen die Wagen eine angenäherte Stromlinienform. Es blieben die Eingangstüren zurück gesetzt, die Wände des Eingangs zur Außenwand waren abgerundet. Auch das Dach am Wagenende war heruntergezogen und sah so gefälliger aus. Die Fenster hatten in den Abteilen der 3. Kl. eine Breite von 1,00 m und waren 20 cm breiter als beim Vorgänger.
Folgende Wagen- Nummern waren für die C4ü-35 vorgesehen: 16 546 bis 16 695; der nahezu baugleiche Nachfolger C4ü-36 bekam die Nummern 16 696 bis 17 360 und 19 001 bis 19 189.
Geliefert wurden die C4ü-35 im Jahre 1936, die Lieferung der Nachfolgebauart C4ü-36 zog sich bis 1939 hin. Nach Gründung des „Großdeutschen Reiches“ 1938 gab es ein neues Eigentumskennzeichen: Alle Reisezugwagen (und Loks) sollten an der Seite den „Pleitegeier“ tragen. Ferner nannte sich die Staatsbahn fortan DRB (Deutsche Reichsbahn).
Nach dem Krieg sah kamen von der Bauart C4ü-35 44 Wagen in den Bestand der DB, von der Bauart C4ü-36 283 Wagen. Bis 1982 waren alle Wagen ausgemustert. Bei der DR verschwanden die Wagen schon 1962, sie wurden modernisiert, bekamen andere Fenster oder wurden zu Liegewagen umgebaut.
Modelle der Reichsbahn Schnellzugwagen
Um nach zu vollziehen, wie die Entwicklung der Schnellzugwagen bei der DRG war, hier eine bebilderte Übersicht:
Nach dem ersten Weltkrieg wollte man von den preußischen Oberlichtern wegkommen und dieses Mal standen sächsische D-Zugwagen Pate: Diese Wagen hatten im Gegensatz zu den Preußen abgeschrägte Eingangsbereiche und keine Oberlichter. Das wurde für die neuen Wagen übernommen und gebaut wurden die „Hechtwagen“ C4ü-23, die wegen ihrer beidseitigen Schräge ein wenig an Hechte erinnerten. Diese Wagen waren- anders als die meisten Länderbahnwagen- vollständig aus Metall gefertigt. Die Wagen hatten 9 ½ Abteile mit 76 Sitzplätzen. 91 Wagen wurden gebaut. Roco stellte 1978 die ersten Hechte in N als DB-Wagen her. 1983 folgte mit DRG- Beschriftung ein Set mit 8 Schnellzugwagen. Roco brachte ferner die Hechte auch als A4ü-21 und AB4ü-23 heraus. Nach Übernahme durch Fleischmann wurde der C4ü-23 Hecht nochmal aufgelegt. Insgesamt erschienen 14 Varianten des Wagens.
Die Nachfolgebauart, die es in N auch gibt, sind die Einheitswagen der 28er Bauart. Sie hatten eingezogene Türen und hatten in 10 Abteilen insgesamt 80 Sitzplätze. Minitrix brachte den Wagen 1978 als C4ü-28 heraus, daneben noch den AB4ü-28 und nicht ganz passend, den PwPost4ü-34. Es fehlt der „Kurswagen“ ABC4ü-29, der gerne im internationalen Verkehr als Kurswagen diente. Wie die DB wandelte Minitrix seine AB4ü-28 zu blauen (A)B4ü-28/51 für die F-Züge um, später auch in Zugpackungen als blauen A4ü-28/51. Der C4ü-28 erschien bisher in 33 Varianten.
Die letzte Bauart der DRB, die noch vor dem Krieg entwickelt wurden, waren die sogenannten Schürzenwagen. Im Gegensatz zu den älteren Bauarten hatten sie keine eingezogene Eingangsbereiche mehr, sondern die Türen lagen in Höhe der Seitenwände. Zur Verringerung des Luftwiderstands bei der Fahrt hatten die Wagen Schürzen. Gebaut wurden AB4ü-38, ABC4ü-39, BC4ü-39 und C4ü-38, wobei der C4ü der häufigste Wagen war. Wegen des Krieges konnten nicht mehr alle bestellten Wagen ausgeliefert werden. Aufgrund ihrer Windschnittigkeit konnten die Wagen 150 km/h laufen. Die Innenmaße wurden gegenüber der 35er Bauart nicht verändert. Roco brachte 1982 in einem Wagen Set alle vier Bauarten heraus, die Schürzenwagen wurden später noch einmal von Fleischmann aufgelegt. Der Schürzen C4ü-38/39 von Roco brachte es auf 18 Varianten, zzgl. 3 Varianten von Fleischmann. Auch Minitrix hatte den Wagen im Programm: Ab 1999 lieferte Minitrix 32 Varianten des Wagens, darunter 3 DRB- Varianten.
Natürlich gab es die Schürzenwagen auch in Blau, im Dekor der F-Züge der frühen 50er Jahre. Hier tat sich besonders Minitrix hervor, die auch den 3. Kl. Wagen in Blau anboten. Dieser Wagen war anfangs noch in den Rheingold und Rheinpfeil eingesetzt.
Die Fleischmann DRG Schnellzugwagen
Bei den Reichsbahn Schnellzugwagen wollte Fleischmann nicht hinten anstehen und entschied sich für die 35er/36er Bauart. 1982 kamen die ersten Wagen in den Handel. Wie damals üblich, war die Kupplung am Drehgestell befestigt. Es erschienen in der 35er Bauart der C4ü-35. AB4ü-35, Pw4ü-37 sowie ein Schlaf- und Speisewagen im DRG/ DRB- Dekor. Dann war 10 Jahre lang Pause und 1992 erschien der Wagen im DB- Epoche III- Dekor. Bis heute sind vom C4ü-35 insgesamt 13 Varianten erschienen. Ab 1989 hatten alle Wagen Kulissenführung ab Werk.
Kommen wir zur Neuheit 2020: Erstmals in DRG - Dekor bringt Fleischmann seinen 35er Schnellzugwagen heraus.
Hier eine Übersicht zur Maßhaltigkeit des Wagens:
|
Vorbild |
1:160 |
Fleisch- mann |
LüP |
21 270 |
132,9 |
134 |
Abstand Drehgestell |
14 270 |
89,2 |
89 |
Achsstand Drehgestell |
3 000 |
18,75 |
18,5 |
Fensterbreite |
1 000 |
6,25 |
6,2 |
Pufferhöhe (SoK) |
1 040 |
6,5 |
8 |
Pufferlänge |
650 |
4,1 |
3 |
Man sieht, dass Fleischmann die Hauptmaße im Wesentlichen eingehalten haben, nur der Wagen ist um 1,5 mm zu hoch geraten. Grund war das Drehgestell, die Räder durften ja nicht an dem Rahmen schleifen. Daher ging dem Wagen der Ruf nach, Hochbeinig zu sein. Findige Bastler haben auch hier Abhilfe geschaffen: Einbau von Radsätzen mit kleinerem Durchmesser und die Auflage des Drehgestells zu kürzen. So kann der Wagen um 1,5 mm tiefer gelegt werden. Auch bei der Pufferlänge haben sie ein wenig geschummelt. Aber stimmt das wirklich? Der Verfasser hat sich die Mühe gemacht, die o.g. vorgestellten Vorgänger bzw. Nachfolger in der Höhe zu vergleichen.
Auf den Fotos oben kann man gut de Höhenunterschied bei den einzelnen Wagen erkennen. Minimal ist der Unterschied mit 5,6 mm Rädern (Bild 13). Und siehe da, so gravierend sind die Höhenunterschiede gar nicht- was die Wagenhöhe anbetrifft, wohl aber bei den Puffern. Aber Hand aufs Herz, sieht man das im Betrieb auf der Modellbahn?
Formtechnisch ist am Wagengehäuse seit 1982 nicht verändert worden, sieht man mal von der Kurzkupplungskulisse ab. Das ist gut zu sehen z.B. an der Front des Wagens, Ausgaben 1982 und 2020.
Auf dem Laufschild des Wagens steht Berlin Ahb- Leipzig- Hof- Regensburg- München- Rosenheim- Berchtesgaden Hbf. 1936/37 gab es keinen D-Zug mit diesem Laufweg. So entpuppt sich der Wagen als Kurswagen, der in München an den D 9 oder D 109 zugestellt wurde und so eine umsteigefreie Verbindung von der Reichshauptstadt herstellte. Die direkten Züge nach Berlin ab Berchtesgaden fuhren über die kürzere Strecke über Mühldorf (Inn). In späterer Zeit wurden die Verbindungen noch ausgebaut, als der Obersalzberg als Sommerresidenz Hitlers diente.
Einsatz auf der Modellbahn
Wie schon erwähnt, ist der neue Wagen ein Kurswagen. Da gibt es einige Spielmöglichkeiten: Den Wagen an einem D-Zug der 30er Jahre einstellen, als Kurswagen hinten oder vorne, damit das Umrangieren möglich wird, oder den Kurswagen einem Personenzug beistellen. Aufgrund der o.g. Höhenunterschiede am besten in einem D-Zug nur mit 35er Schnellzugwagen. Mitte der 30er Jahre waren die Strecken ab Regensburg nach München, München- Freilassing- Berchtesgaden elektrifiziert, Züge nach Berchtesgaden zogen u.a. die E 44.5; nach München kommen E 17 (Hobbytrain) oder E 16 (Piko) in Frage. Oder auch eine damals nagelneue E 18 (Arnold, Piko). Dampflokfans haben eine große Auswahl: Zu den Zügen passen bestens die Baureihen 01, 03, 17, 18, 38.10 oder 39 (alle mit großem Windleitblechen).
Fazit
Leider hat es Fleischmann nicht geschafft, die Hochbeinigkeit der Wagenserie zu eliminieren. Das hätte man z.B. mit kleineren Rädern schaffen können. Damit ist aber die 35er Bauart noch nicht ausgereizt: Es fehlen noch die BC4ü-35/36 und ABC4ü-35/36. Diese Wagen waren damals typische Kurswagen, auch noch bei der DB. Kreativ könnte Fleischmann bei der Nachbildung von ÖBB Wagen mit Übersetz-Fenster oder Umbauten zu Liegewagen bei der DR. Viele Wagen blieben nach dem Krieg im Ausland, fast alle Nachbarbahnen (z.B. ÖBB, SNCF, PKP, ČSD) hatten den Wagen im Bestand.
Klaus Kosack
Lit.: Joachim Deppmeyer, Reisezugwagen der Deutschen Reichsbahn, Bd. 2 1932-1937, Freiburg 2018
DB, DV 939d- Merkbuch Fahrzeuge der Reichsbahn, Ausgabe 1948, Reprint Düsseldorf o.J.
DB, DV 939a- Merkbuch Schienenfahrzeuge der DB, Ausgabe 1952
H.J. Obermayer/J. Deppmeyer, Taschenbuch Deutsche Reisezugwagen, Stuttgart 1978