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09/2021 von Klaus Kosack

Die neuen Silberlinge von Piko

Werksfoto B4n-59 (Silberling)

Ende der 50er Jahre dachte man bei der DB über eine grundlegende Modernisierung der Reisezugwagen auch für den Nah- und Bezirksverkehr nach. Inzwischen war die Standardlänge bei den Reisezugwagen auf 26,5 m gewachsen und solche Langen wollte man auch im Nah- und Bezirksverkehr haben. Nach ein paar Probewagen, die noch grün gestrichen waren, stand das Konzept fest: Keine Türen am Wagenende und/ oder in der Mitte, sondern zwei bequeme Einstiege etwa auf der 1/4 Länge der Wagen. Ferner glaubte man, die Wagenfarbe einsparen zu müssen und fertigte die Wagenwände aus Nirosta an. In der Wagenbrüstung unter den Fenstern wurde über Kreuz angeschliffen und heraus kam das bekannte Pfauenaugenmuster der Wagen. Der Clou war, weg vom grünen Einerlei der Reisezugwagen. Ein weiterer Grund für die Neuentwicklung war die Absenkung des Wagengewichtes.

Vorbild

Nach Kriegsende 1945 war der Wagenbestand für den Personenzugverkehr eher desolat. Die meisten Personenwagen hatten schon über 40 bis 50 Jahre auf dem Buckel und die eigentliche Nutzungsdauer war weit überschritten. Hinzu kam, dass jüngere Wagen, die eigentlich für Eilzüge gedacht waren, in D-Zügen aushelfen mussten.

Ein Behelf war sicher das Umbau-Programm der DB, wo aus den 3-achsigen Abteilwagen 3-achsige *3yge“-Wagen entstanden, ebenso aus 4-achsigen Abteilwagen die 4-achsigen Umbauwagen. Dies linderte fürs Erste sicher die allergrößte Not, trotzdem gab es fast 40 Jahre keine Neubauwagen für den Nahverkehr. Jetzt dachte man an etwas Neues. Die Standardlänge der Reisezugwagen war inzwischen auf 26,4 m gewachsen, diese Länge wollte man auch bei den Neubauwagen haben. Zudem kam noch die Option, die Wagen sollten leichter sein, so etwa 1 t pro Meter Wagen, also ca. 26 bis 27 t Gesamtgewicht.  

Wie so oft gab es anfangs Probewagen, um praktische Erfahrungen für den Serienbau zu gewinnen. Man testete die Innen-Aufteilung, Art der Türen, Heizung und Sitzaufteilung. Insgesamt 24 Probewagen in 4 verschiedenen Varianten wurden 1958/59 gebaut; die meisten hatten noch einen grünen Anstrich. Diese Wagen erhielten die Bezeichnungen ABn, Bn-58 a ff.

Noch 1959 fiel die Entscheidung: Die neuen ABn-Wagen hatten an den Wagenenden je ein 2. Kl. Abteil, in der Mitte waren 5 Abteile der 1. Kl. mit Seitengang. Der Bn- Wagen hatte 3 Großabteile mit der Sitzordnung 2+2 und hatte zusammen 96 Sitzplätze in 24 Sitzreihen. Die beiden äußeren Abteile hatten je 6 Sitzreihen. Eingebaut wurden Türen mit zwei Flügeln; die Anordnung der Türen versprach mehr Sicherheit beim Ein- und Ausstieg bei Bahnsteigen, die im Bogen liegen. Außerdem konnten die Wagen zentral geschlossen werden. Da die Wagen hinter allen Lokbauarten gespannt werden mussten, besaßen die Wagen eine Dampf- und Elektroheizung. Auf einen Anstrich verzichtete man, war doch die Außenwand aus Nirosta-Stahlblechen gebaut, dem unter dem Fensterband noch das bekannte Pfauenaugen-Muster eingeschliffen wurde. Ferner wurde noch ein Steuerwagen gebraucht, der wie bei den Mitteleinstiegs-Eilzugwagen mit einem Gepäck-Abteil und Führerstand kombiniert wurde. Da auch der Mitteldurchgang frei bleiben musste, blieb nur die Ecke des Wagens als Führerstand übrig. Wegen der Enge nannte man die Wagen auch „Hasenkasten“.

Vorbildskizze Bn-59 (Quelle: Lehmann/ Pflug; Fahrzeugpark der DB, II Nachtrag, Berlin oJ)

Im gleichen Jahr ging der Auftrag für eine Großserie heraus. Bis 1965 wurden 2.110 Wagen gelliefert, die als Bauart Bn-59 (a,b,c) in Dienst gestellt wurden.  Von den AB4nb-59 Wagen wurden 808 Wagen gebaut, Schließlich wurden 370 Steuerwagen als BPw4nf-59 in Dienst gestellt. Damit standen 1965 rund 3.200 „Silberlinge“, das war der neue Spitzname, auf den Schienen. Die Aufteilung der Wagen war 1 (Steuerwagen) zu 2 (AB) und 7 (B). Etwa diese Größenordnung sollte der Modellbahner bei der Beschaffung der Wagen berücksichtigen.

Die AB4n bekamen anfangs die Nummern 31 001 ff; der B4n ab Nummer 41 001 und der BPw4nf ab Nummer 96 201. Ab Epoche IV liefen die ABn Wagen ab 31-03 001 ff, der Bn als 22-11 001 ff und die BDnf als 82-03 001ff.

Der Wagen mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h konnten vielseitig eingesetzt werden, nicht nur im Nahverkehr. Spätere Bauserien waren ab Werk sogar für 140 km/h zugelassen, was u.a. den Einsatz in D-Zügen erlaubte. Der Verfasser erinnert sich, bei der Reise als Rekrut zu seinem ersten Bundeswehreinsatz von Köln nach Lüneburg mit einem Silberling gereist zu sein, wahrlich kein großes Vergnügen für die über 400 km Strecke.

Ab den 80er Jahren wurden die Wagen mehr und mehr modernisiert und bekamen u.a. ein neues Farbkleid, sodass man u.a. von „Rotlingen“ sprach. Die DB vergab im Laufe der Zeit sage und schreibe 98 Bauartnummern für die umgebauten Silberlinge, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Die hier besprochenen Silberlinge bekamen die neue Bauartnummer 703 (ABn), 719 (Bn) und 738 (BDnf).  Umgebaute Silberlinge, die als solche nicht mehr erkennbar sind, sind heute noch im Einsatz.

Modell

Wie so oft war es Arnold, der den ersten Silberling in N 1968 herausbrachte. Aber was für ein Modell: Der Wagen war 122 mm lang- statt der maßstäblichen 165 mm, also um 26 % zu kurz. Zudem hat Arnold nur den ABn- Wagen gebracht.  Bis 2002 (mit Unterbrechung) war der Wagen bei Arnold zu haben.

stark verkürzter ABn 703 von Arnold (hier letzte Hobby-Ausgabe)

Der erste Hersteller, der maßstäbliche Silberlinge auf den Markt brachte, war Röwa. 1969 brachte die Firma mit einem ABn704, Bn720 und Bnf738 heraus. Diese Wagen trennten Welten vom Arnold-Modell. Die Wagen hatten Inneneinrichtung und waren Dank Konstrukteur Ade hervorragend gestaltet. Das einzige Manko der Wagen waren die falschen Drehgestelle. Hier hätten die Drehgestelle Minden Deutz (MD) 42 oder 43 eingebaut sein sollen, tatsächlich hat man wohl für weitere geplante Wagen sich für das Gestell MD 33 entschieden. 1971 ging die Röwa in Konkurs, Teile des Programms, wie die Silberlinge und die V 100, wurden von Minitrix übernommen, die sie 1972 in ihr Programm aufnahmen.

Röwa (1969) Bn720
Röwa (1969) ABn704
Röwa (1969) BDnf738

Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Wagen waren sie hervorragend gestaltet. Sie waren wohl so gut, dass Minitrix die Wagen unverändert in sein Programm beließ. Das Einzige was Minitrix an den Wagen machte, war das Löschen des Röwa-Logos. Mit diesen Wagen konnte man prima Nahverkehrszüge der frühen Epoche IV nachstellen.

Der nächste Hersteller von Silberlingen war Fleischmann. Ab 1970 traten sie mit ihren Silberlingen auf den Plan. Das Anfangsset bestand aus den drei Wagen Bnrz718, ABnrz704 und Bnrzf740. Dies waren alles Bauarten der Nachfolgeserie beim Vorbild. Allen Fleischmannwagen war gemeinsam, dass sie um ca. 2 mm höher lagen als die Röwa/ Minitrix-Wagen. Deswegen hat der Verfasser auf einen Erwerb dieser Wagen verzichtet. Später nahm Fleischmann auch die Vorserien-Wagen aufs Korn, die als „Beifang“ in Zugpackungen dabei waren. So z.B. der B4n-58, der Schlusslampen besaß. Allein vom 2. Kl. Silberling stellte Fleischmann 43 Varianten her.

Fleischmann B4n-58 mit Zugschlusslampen

Ebenfalls Beigabe waren die umgebauten Silberlinge als Citybahn-Variante.

Diese liefen als Bnrz430.

Fleischmann Bnrz430 City-Bahn

Bei allen Fleischmannwagen ist gemeinsam, wenn nur Fleischmann-Wagen im Zug sind, fällt das „Hochwasser“ der Wagen nicht besonders auf.

2001 überarbeitete Minitrix nach fast 30 Jahren seine Silberlinge. Erstmals kam die Epoche III da zum Zuge. Alle drei Wagentypen der ersten Serie wurden überarbeitet, der B4n-59, ABn-59 und Bnf-59 und bekamen u.a. eine Kurzkupplungskulisse spendiert.

Hier Bilder der 2. Generation der Silberlinge von Minitrix:

Minitrix B4n-59 (2001)
Minitrix AB4n-59 (2001)
Minitrix BPw4nf-59 (2001)

Gut erkennbar bei der 2. Generation von Minitrix sind die Kurzkupplungskulissen und die geänderten Drehgestelle. Offensichtlich wurde am Gehäuse der Wagen wenig verändert.

Auch die 3. Generation zeigt wenig Unterschiede zu den Vorgängern, Da sieht man, welche Meisterleistung Röwa da hinterlassen hat. Hier Bilder der neuesten Variante von Minitrix, Silberlinge mit Werbung. Es sind Wagen der IV/V- Epoche, erkennbar an der blauen Rahmenfarbe.

Minitrix Bn 718 mit Werbung (2021)
Minitrix ABn 703 mit Werbung (2021)

Wie groß der Höhenunterschied zwischen den Herstellern ist, zeigen folgende Fotos:  

Röwa- Flm
MT- Flm
Röwa- MT

Man erkennt deutlich die Höhenunterschiede der Fleischmann-Wagen gegenüber den anderen Firmen. Daher sollten Besitzer von Fleischmann-Silberlingen ihre Wagen besser nicht mit Silberlingen anderer Firmen kuppeln.

Als fünfter Hersteller von Silberlingen trat 2021 Piko auf den Plan, um endlich den firmeneigenen Loks auch passende Wagen anzubieten. Das hatte der Verfasser auf der Nürnberger Messe schon seit Jahren bei Piko immer wieder gefordert. Angeboten wurden die Wagen auf der (digitalen) Messe 2021, und zwar der ABn-59 und Bn-59 in Epoche III und die gleichen Wagentypen als Rotling in Epoche V/VI. Diese vier Wagen sollen Ende August 2021 lieferbar sein. Als Nachzügler kommt im Herbst der passende Steuerwagen als Rotling mit Wittenberger Kopf. So fehlt den neuen Silberlingen nur der Steuerwagen, am besten der mit dem „Hasenkasten“. Vielleicht wird er nächstes Jahr vorgestellt, diesen Wagen gibt es bei Piko schon in H0.

Piko Silberling Bn-59
Piko Silberling ABn-59

Ein Blick auf die Wagenenden zeigt eine Merkwürdigkeit: Aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen hat Piko die Rolltore schwarz eingefärbt, obwohl sie lt. Farbfotos des Vorbilds die gleiche Farbe wie die Seitenwände haben. Hier hat Piko wiederholt danebengegriffen, ähnlich wie bei den Schürzeneilzugwagen mit seinen überflüssigen dicken Fensterrahmen. Beim H0 Modell des gleichen Wagens ist Piko dieser Lapsus nicht unterlaufen, ähnlich wie beim H0 Schürzeneilzugwagen, der keine dicken Fensterrahmen aufweist. Der N- Produktmanager von Piko sollte mal öfter bei den H0-Kollegen vorbeischauen, um solche kapitalen Schnitzer zu vermeiden, insbesondere dann, wenn es den Wagen in der eigenen Firma bereits in H0 gibt. Den Gummiwulst kann man abziehen. Das vereinfacht das nachträgliche Einfärben des Rolltors und der Gummiwulst bleibt schwarz. Zum Einfärben des Rolltors sei der Edding Decomarker 4040 Silber matt empfohlen.

Fragwürdiges schwarzes Rolltor im Vergleich mit Minitrix

Die Wagen selbst sind hervorragend gestaltet: Sie sind maßstäblich, haben die korrekten Drehgestelle MD 42, sogar das Toilettenabflussrohr wurde nicht vergessen. Durch die Fenster kann man die Inneneinrichtung sehen, die farblich unterschiedlich zwischen dem Bn und ABn Wagen ausgefallen ist. Die Zahl der Lüfter ist bei dem Bn und ABn-Wagen unterschiedlich. Auffällig ist der silberne Stromkasten am Drehgestell. Nach kurzem Betrieb beim Vorbild war der eher schwarz.

Kuppelabstand Standard-Kupplung und Wagenhöhe Piko (rechts) - Minitrix
Kuppelabstand Flm- Erbse und Wagenhöhe Piko (rechts) - Minitrix

Beim Kuppelabstand gab es nichts zum Meckern: Schon bei der Standard-Kupplung ist der Abstand mit 3 mm zufriedenstellend. Wer es enger möchte, dem sei u.a. die Fleischmann Kurzkupplung („Erbse“) empfohlen. Auch die PEHO Clipskupplung liefert ähnliche Ergebnisse, aber mit dem Unterschied, dass ungewollte Wagentrennungen seltener sind.

Kuppelabstand und Wagenhöhe Piko (rechts) - Minitrix 3. Generation

Im Bild 22 ist zu sehen, dass der neue Minitrix Silberling mit Werbung ein Ideechen höher liegt. Man muss aber genau hinsehen, um das zu bemerken. Ich denke, im Zugverband fällt das nicht besonders auf.

 

Hier eine Übersicht der gebauten Silberlinge in N:

 

 

Best.-Nr.

Baujahr

Bauart

Wagen-Nr.

Bauj. Vorbild

Piko

40640

2021

Bn-59

41 729 Köl

1962

MTr

15721

2001

Bn-59

42 328 Stg

1961

Flm

8863 K

1999

Bn-58

40 009 Mü

1959

Röwa

8202

1969

Bn720

22-45 048-2

1967

Flm

881011 K

2010

Bnrz430

22-34 060-0

1984

Piko

40641

2021

ABn-59

31 331 Köl

1962

MTr

15720

2001

ABn-59

31 516 Stg

1964

Röwa

8201

1969

ABn704

31-45 300-6

1965

Piko

?

2022?

Bnf-59

?

 

MTr

15722

2001

Bnf-59

96 379 Stg

1962

Röwa

8203

1969

Bnf738

82-11 397-2

1964

 

Fazit

Endlich wurde mal wieder eine Neukonstruktion vorgestellt, dessen Vorbild häufig zu sehen war. Schließlich sind die Konkurrenten alle schon vor über 50 Jahren konstruiert worden. Erfreulich ist, dass Pikos Erstauflage sich die Epoche III zum Vorbild nahm. Sicher wird es noch den Steuerwagen geben. Auch wenn er jetzt noch fehlt, kann als Ersatz ein älterer Gepäckwagen (z.B. MDye-51) oder als Steuerwagen der grüne BPwymf-53 im Zug eingestellt werden. Von der Höhe passt auch der Bnf-59 von Minitrix. So kann ein typischer Nahverkehrszug der 60er Jahre nachgebildet werden, bestehend aus 3 Wagen Bn-ABn-Bnf. Solche Züge bevölkerten damals zu hunderten die Schienen.

Zu hoffen bleibt, dass bei Neuauflagen das schwarze Rolltor verschwindet. Wem es nicht gefällt, besorge sich einen silbernen Edding und übermale das Schwarz. Andererseits fällt das im Zug nur bei dem ersten und letzten Wagen auf. Die Wagen kosten knapp 40 € UVP das Stück, ein angemessener Preis.

 

Klaus Kosack

 

Lit.: H. Obermeyer, Taschenbuch Deutsche Reisezugwagen, Stuttgart 1978

Lehmann/ Pflug, Der Fahrzeugpark der DB, II. Nachtrag, Teil B: Wagen, Berlin um 1960

Archiv der Dt, Reisezug- und Güterwagen, Blatt ABn703 und Bn719, GeraMond, München, Loseblattsammlung


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Piko_40641: Personenwagen Silberling 1./2. Klasse DB Ep.III
Piko_40642: Personenwagen 2. Klasse DB AG Ep.VI
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