02/2017 von Jürgen Plack
Um ihre in die Jahre gekommenen Dampflokomotiven ablösen zu können, beauftragten die tschechoslowakischen Staatsbahnen (ČSD) die Prager Lokomotivfabrik ČKD mit der Entwicklung einer dieselelektrischen Lokomotive. Zwei Prototypen wurden 1968 geliefert. Nach Abschluss der Erprobungsfahrten wurden ab 1970 insgesamt 408 Serienmaschinen mit der unverwechselbaren Front geliefert. Bei einer Leistung der vier Tatzlagermotoren von insgesamt 1800 PS erreichten die optisch sehr auffälligen Lokomotiven eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Eingesetzt wurden sie vor allen Zuggattungen. Über 60 Exemplare wurden an italienische Privatbahnen verkauft, wo sie heute hauptsächlich im Güterverkehr eingesetzt werden. Die noch in Tschechien und der Slowakei in Dienst stehenden Maschinen werden zur Zeit nach und nach ausgemustert.
Jetzt konnten wir das entsprechende Minitrix-Modell (Art.-Nr. 16731) ausgiebig begutachten.
Inzwischen ist es bei nahezu allen Herstellern erfreulicherweise eigentlich überflüssig, viele Worte zu Detaillierung, Lackierung und Beschriftung zu verlieren, so hoch ist inzwischen deren Qualität. Deshalb an dieser Stelle nur ganz kurz: Vergleiche mit Vorbildfotos zeigen, dass das Gesamterscheinungsbild der Lok hervorragend getroffen ist.
Die Drehgestellblenden und die Aggregate unterhalb des Rahmens sind einfach eine Wucht und bei der Beschriftung hat man es auf die Spitze getrieben: Was dem bloßen Auge wie ein kurzer, weißer Strich erscheint, zeigt sich unter der Lupe als Aneinanderreihung von deutlich lesbaren Buchstaben. Ob einige Teile extra angesetzt oder angespritzt sind, sollte doch eigentlich egal sein – letztendlich zählt doch der Gesamteindruck – und der ist einfach Spitze!
Die Lok fährt erst bei 4 Volt an und schleicht dann mit umgerechnet 3 km/h dahin. Die Freude darüber weicht aber schon bald einer Enttäuschung, denn das sehr gut regelbare Modell bleibt deutlich unter der Vorbildgeschwindigkeit von 100 km/h. Es erreicht, auch nach längerer Einfahrzeit, nur knapp 80 km/h. Positiv dagegen: schon bei Schleichfahrt hat die T 478.3 keinerlei Probleme mit der Stromabnahme. Weichen mit Kunststoff-Herzstücken und DKWs werden problemlos befahren. Dabei bleibt sie in allen Geschwindigkeitsbereichen absolut wank-, taumel- und zitterfrei. Trotz zweier Schwungmassen, mit denen der Fünfpolmotor versehen ist, ist beim Ausbleiben des Fahrstroms praktisch kein Auslauf vorhanden.
Zwei diagonal auf den inneren Achsen angebrachte Haftreifen sorgen zusammen mit einem Gewicht von 94 Gramm - Lokkasten und Rahmen bestehen aus Metalldruckguss - für sehr hohe Zugkraft. So können an die von einer Kurzkupplungskulisse geführten und in einer Klipsaufnahme steckenden Normkupplungen auch lange Züge sicher über modellbahnübliche Steigungen ziehen.
Das mit der Fahrtrichtung wechselnde weiß/rote LED-Spitzenlicht ist erst bei etwas höherer Geschwindigkeit deutlich sichtbar. Im Analogbetrieb sind die roten Schlussleuchten leider nicht abschaltbar.
Die Lok ruht sicher in der bekannten Minitrix-Plastik-Box, die wiederum von einer deutlich höheren Kartonverpackung umgeben ist. Und das ist auch gut so, ist doch damit im Gegensatz zu früher ausreichend Platz zum Wiederverstauen der Betriebsanleitung(en) – jeweils eine für D, GB, USA und eine für F, NL, E und I. Seltsam: Für Tschechien und die Slowakei gibt’s keine Anleitung. Gibt’s dort keine N-Bahner?
Die Anleitung beginnt mit ausführlichen Informationen zum Vorbild, gefolgt von vier Seiten zu möglichen Licht- und Geräuschfunktionen im Digitalbetrieb. Analog ist leider keine einzige Funktion - nicht einmal das Betriebsgeräusch - verfügbar, schade!
Zum Abnehmen des Gehäuses erklärt eine Zeichnung, dass zunächst die Dachhaube abgenommen werden soll. Diese wehrt sich aber zunächst vehement dagegen! Ein kleiner Schraubendreher mit scharfer Klinge hilft weiter. Mit einem noch kleineren Werkzeug mit Kreuzschlitzklinge lassen sich dann zwei Schräubchen lösen. Der N-Bahner, der jetzt denkt, nun ließe sich das Gehäuse problemlos abnehmen, sieht sich schon wieder getäuscht. Da rührt sich nix! Wieder muss erst die scharfe Klinge angesetzt werden – am besten an der Front zwischen Gehäuse und Rahmen. Tatsächlich geht das Gehäuse dann ab – und dazu alle vier Kastenabstützungen vor den Drehgestellblenden. Wer, bitteschön, denkt sich denn eigentlich so etwas aus?
Eine weitere Zeichnung zeigt, wie mit Hilfe eines Zahnstochers (?) etwas Fett an die Antriebsschnecken gebracht werden kann. Wie viel, wie oft und was ist mit der Ankerwelle und den Achszahnrädern? Können die Motorkohlen oder der gesamte Motor gewechselt werden? Wie können die mitgelieferten geschlossenen Frontschürzen montiert werden? – Keine Angaben! Man könnte jetzt, nach dem Lösen weiterer vier Schrauben die Platine abheben und dann vermutlich an die Motorlager gelangen. Ich habe es mir erspart. Wer weiß, was noch alles abgefallen wäre.
Zum Wechsel der Haftreifen: wieder nur eine Zeichnung. Zunächst den Drehgestellrahmen nach unten abnehmen. Wie? – keine Angaben. Dann Achse heraus und alten Haftreifen herunter! Ich habe es mir... siehe oben!
Man sollte sich in Göppingen vielleicht einmal die Minitrix-Bedienungsanleitungen aus den 70er- und 80er-Jahren ansehen. Die waren, weil mit viel informativem Text versehen, eine echte Hilfe. Ist es denn wirklich so kostenintensiv, ein paar erklärende Sätze abzudrucken? Und vielleicht sollten sich die Konstrukteure auch einmal Gedanken darüber machen, wie auch ein „Otto-Normal-N-Bahner“ so eine Lok warten und pflegen kann. Waren das noch Zeiten, als im Dach einer Lok eine Schraube zu finden war, nach deren Herausdrehen das Lokgehäuse fast wie von selbst abging...
Nebenbei bemerkt: Wie kommt man eigentlich in einer N-Bahn-Zeitschrift zu der Aussage: „Das Gehäuse lässt sich ... problemlos abheben“? Und weiter: „Mitgeliefert werden neben der guten Anleitung...“ Wie bitte?!
Für eine UVP von 259,99 Euro erhält der N-Bahner ein optisch sehr gelungenes Modell. Auch die Fahreigenschaften können, bis auf die zu niedrige Höchstgeschwindigkeit, überzeugen. Wünschenswert wären für zukünftige Entwicklungen eine Servicefreundlichere Konstruktion sowie eine deutlich hilfreichere Anleitung. Und Analogfahrer, die es ja immer noch geben soll, würden sich wieder Triebfahrzeuge ohne „Digi-Schnickschnack“ wünschen, für den sie beim hier vorgestellten Modell bezahlen müssen, ohne davon profitieren zu können.
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