11/2015 von Jürgen Plack
Das Vorbild
Anfang der dreißiger Jahre gab es bei den schweizerischen Bundesbahnen SBB erstmals Überlegungen zum Bau von leichten Triebwagen für den Einsatz im Schnell- und Regionalverkehr. Man erhoffte sich durch diese Fahrzeuge verkürzte Fahrzeiten gegenüber lokbespannten Zügen. Die Höchstgeschwindigkeit sollte bei 125 km/h liegen – damals ein Novum für die SBB.
Von den vier 1933 bestellten Prototypen sollten zwei elektrisch und zwei von Dieselmotoren angetrieben werden. Die ersten Probefahrten begannen 1935, wobei die elektrischen Varianten das Rennen machten. Diesen Fahrzeugen mit den Betriebsnummern Rbe 2/4 201 und 202 folgten bis 1937 noch fünf weitere Exemplare.
Der Antrieb erfolgte durch zwei Fahrmotoren mit je 275 PS im hinteren Drehgestell. Schon bei den ersten Probefahrten zeigten die Triebwagen mit ihren 70 Sitz- und 30 Stehplätzen eine hohe Laufruhe. Im Planeinsatz erwiesen sie sich dann aber recht bald als überbeansprucht und nicht besonders zuverlässig. Es wird davon berichtet, dass manchmal sogar die Fahrgäste die wegen ihrer Beliebtheit beim Publikum oft völlig überbesetzten Triebwagen bis zum nächsten Bahnhof schieben mussten. Für das Mitführen eines Beiwagens war der „Rote Pfeil“ nicht konzipiert. Es gab für den Roten Pfeil auch einen Skianhänger, dieses Modell ist ebenfalls bei DM-Toys erhältlich (Art.-Nr. H2646)
So kam es, dass die Planleistungen des „Roten Pfeiles“ bald schon immer öfter von lokbespannten Zügen übernommen werden mussten. Deshalb wurden die Triebwagen zunehmend nur noch für Ausflugsfahrten eingesetzt, bei denen sie vom Publikum sehr gut angenommen wurden, aber nicht mehr so hohen Belastungen unterworfen waren. Bei den Fahrgästen besonders beliebt war die Möglichkeit, dem Triebfahrzeugführer während der Fahrt über die Schulter auf die Strecke blicken zu können.
Den Zweiten Weltkrieg überlebten die „Roten Pfeile“ im Schuppen, nach dem Krieg wurden sie im bald wieder zunehmend stark nachgefragten Ausflugsverkehr eingesetzt. Im Jahr 1966 begannen die Ausmusterungen. Einige Fahrzeuge blieben museal erhalten. Mit einem davon, dem „Roten Pfeil“ Rbe 2/4 202, führt
die Oensingen-Balsthal-Bahn AG (www.oebb.ch) auf dem gesamten Normalspurnetz der Schweiz Extrafahrten durch.
Die Optik
Der Vergleich mit Vorbildfotos zeigt, dass die Umsetzung ins Modell insgesamt hervorragend gelungen ist. Angefangen beim zierlichen Stromabnehmer, den vorbildlich verlegten Dachleitungen (rot auf braunen Isolatoren), den zahlreichen fein gravierten Lüftungsgittern auf dem Dach bis hinunter zu den geriffelten Trittstufen unter den Türen – alles perfekt! Dies gilt auch und besonders für die sicher nicht einfach zu realisierende Form der charakteristischen Vorbauten des Fahrzeuges mit ihren zahlreichen Klappen und Gittern und den weit hervorstehenden Puffern. Der Farbton des Triebwagens ist gut getroffen, die Beschriftung ist vollständig, größenrichtig und bis ins Kleinste lesbar.
Die bräunlich getönten Fenster erlauben zur Hälfte des Fahrzeuges einen freien Durchblick, in der anderen Hälfte ist der Motor mit der Schwungmasse zu sehen, was nicht weiter schlimm ist: Beide sind nämlich in schwarz gehalten, damit optisch sehr dezent, und außerdem aus der normalen Betrachtungsperspektive auf der Anlage so gut wie nicht mehr zu sehen.
Die Technik
Auf das Gleis gestellt, erfreut das Modell des „Roten Pfeil“ durch weiches, ruckfreies Anfahren, sehr niedrige Mindestgeschwindigkeit und ein angenehm zurückhaltendes Fahrgeräusch, das auch bei höherer Geschwindigkeit nie aufdringlich wird. Bis hinauf zur Höchstgeschwindigkeit liegt er auf freier Strecke absolut ruhig im Gleis, in Weichenstraßen ist ein deutliches Zittern erkennbar. Das mit der Fahrtrichtung wechselnde Dreilicht-Spitzensignal weiß/weiß ist sehr schwach und erst bei recht hoher Geschwindigkeit deutlich sichtbar.
Die Schwungmasse ist praktisch wirkungslos. Bei Ausbleiben des Fahrstromes bleibt der Triebwagen ruckartig stehen. Dabei könnte die Schwungmasse deutlich größer ausfallen, wenn zwei „im Weg stehende“ Bauteile auf der Platine etwas anders angeordnet worden wären...
Problematisch wird es, wenn Weichen, und vor allem DKWs in Langsamfahrt zu passieren sind. Dann zeigen sich Stromabnahmeprobleme, die von den beiden auf der innen liegenden Antriebsachse montierten Haftreifen herrühren dürften. Diese sind m.E. bei diesem 53 Gramm schweren Fahrzeug, das wie sein großes Vorbild als „Alleinfahrer“, also ohne Anhängelast unterwegs ist, eigentlich gar nicht nötig – auch wenn, ebenfalls vorbildgemäß, nur zwei Achsen angetrieben sind. Ungewöhnlich, aber offensichtlich funktionierend ist die Art der Stromübertragung von den Drehgestellen zum Chassis. Diese übernehmen nämlich kleine Schraubenfedern. Der Dachstromabnehmer ist elektrisch funktionslos.
Seltsamerweise kommt es auch bei höherer Geschwindigkeit immer wieder einmal zu unschönem Ruckeln auf Weichen. Des Rätsels Lösung: Teile der Drehgestellblenden, die wohl eine Indusi-Nachbildung darstellen sollen, liegen so tief, dass sie mitunter auf Radlenkern und/oder Herzstücken aufsitzen. Abhilfe kann hier vorsichtiges Abschleifen, oder (die Nietenzähler – nicht böse gemeint! – mögen mir verzeihen) Abzwicken schaffen.
Wartung und Pflege
Das Gehäuse lässt sich, wie in der Anleitung beschrieben, sehr leicht abnehmen. Ebenfalls beschrieben wird, wie danach die Platine abgenommen werden kann (nicht „ganz ohne“), um im Falle eines Falles den „wartungsfreien“ Motor ersetzen zu können, oder einen Decoder in die 6-polige Schnittstelle einzusetzen. Ergänzt wird die Anleitung durch eine Explosionszeichnung und eine Ersatzteilliste. Seltsamerweise sind darin aber weder Haftreifen noch Achsen einzeln aufgeführt.
Das Fazit
Mit dem Rbe2/4 202 der OeBB bietet DM-Toys eine Variante des „Roten Pfeiles“ an, den auch Epoche-6-Fahrer ohne „Ausreden“ auf ihrer Anlage einsetzen können – selbst auf einer Anlage mit „DB-Gleisen“, kommt doch das Vorbild manchmal auch über die Grenze.
Die ungewöhnliche, charakteristische Form, die perfekte Detaillierung, Lackierung und Beschriftung machen das Modell zu einem echten „Hingucker“. Auch die Betriebseigenschaften können überzeugen, wenn der N-Bahner das Problem mit den auf Weichen aufsitzenden Teilen der Drehgestellblenden gelöst hat – was relativ einfach zu bewerkstelligen ist. Der Preis von 159,99 Euro ist noch angemessen, zumal wenn man bedenkt, dass man dafür eigentlich einen kompletten Zug erhält.