08/2022 von Klaus Kosack
Anfang der 50er Jahre gelang der jungen DB der große Wurf: Mit der Einführung des blauen F-Netzes wurden schnelle und bequeme Züge für Geschäftsreisende angeboten, die die Oberzentren der BRD verbunden. Durch Deutschlands Teilung hatten sich die Verkehrsströme geändert. Die Vier-Zonenstadt Berlin war nicht mehr der Verkehrsmittelpunkt Deutschlands, sondern der Nord-Süd-Verkehr hatte mehr Bedeutung. Diese F-Züge fuhren meistens in Tagesrandlage und so konnten Geschäftsreisende ihre Termine an einem Tag wahrnehmen.
Von Anfang an waren die Reisezugwagen werbewirksam in Blau gestrichen. Anfangs nahm man Schürzenschnellzugwagen der Bauart 39, die Mitte der 50er Jahre durch die neuen 26,4 m langen A(B)4ümg-53 ersetzt wurden. Nur wenige Jahre später kamen die modernisierten Wagen der Bauart A4ümg-61 zum Einsatz. Alle drei blauen Schnellzugwagen gibt es als Modell.
Vorbild
Es war der Verdienst vom DB-Abteilungspräsident Dr. Ing. Mielich, der Anfang der 50er Jahre die 26,4 m langen Wagen propagierte und bauen ließ. Sie wurden auch in großen Serien gebaut. 1954 war auch der erste Blaue dabei, damals noch als AB4ümg-54 geliefert. Bis 1959 wurden 199 Wagen in Dienst gestellt. Für Fernschnell- und internationale Züge brauchte man weitere Wagen, natürlich mit moderneren Zutaten. Zwei dieser Neuerungen sind recht einfach von außen zu sehen: Die Drehfalttüren, die dem Zugführer erlaubten, von einer Stelle im Zug alle Türen zu schließen und die Schiebetüren an den Übergängen. Von 1963 bis 1968 wurden 144 Wagen gebaut. Die neuen Wagen liefen auf Drehgestelle der Bauart MD 33 oder 36. Mit den 33er Drehgestellen waren 140 km/h erlaubt, mit den anderen waren 160 km/h erlaubt. Wenn noch eine Magnetschienen-Bremse eingebaut war, waren sogar 200 km/h möglich. Die Übersetzfenster bekamen hellgoldfarbig eloxierte Leichtmetallrahmen. Die Wagen boten in 10 Abteilen 60 Sitzplätze an. Einige Wagen besaßen einen Waschraum, der z.T. in eine Fernsprechzelle umgebaut wurde. Die Abteile waren 2,088 m breit und boten 6 Reisenden Platz. So war die Kniefreiheit der Reisenden gewährleistet.
Die Wagen kamen anfangs in erster Linie in das blaue F-Zug-Netz zum Einsatz. Die neuen Wagen waren erforderlich geworden, da die F-Züge wegen der erhöhten Nachfrage länger geworden waren. Statt vorher 3 Wagen hatten die F-Züge jetzt 5 bis 7 Wagen, incl. Speisewagen, dieser Einsatz endete Anfang der 70er Jahre. Auch im internationalen Verkehr wurden die Blauen gerne als Kurswagen eingesetzt, dann aber meistens zusammen mit zwei bis drei 2. Klasse-Wagen. Nach 1966 wurden die Wagen zu Am 203 umbenannt. Die neue Wagennummer prangte jetzt in der Wagenmitte unterhalb der Fenster. Mitte der 70er Jahre wurden das DC-Netz kreiert. Auch in den DC-Zügen kamen die Am 203 zum Einsatz, jedoch gerne in Pop-Farben. Die meisten Pop-1. Kl.-Wagen hatten ein orangerotes Fensterband. Nach wenigen Jahren entschied sich die DB, alle neueren Reisezugwagen in Elfenbeinbeige/ozeanblau zu streichen. Ende der 70er Jahre sahen so die meisten Wagen aus. Als das IC-Netz 1972 und 1979 aufgebaut wurden, dienten die Am 203 als Verstärkungswagen, teilweise mit Papier-Kennzeichnung als heruntergestufter 2. Kl. Wagen. Zum Schluss dienten die Wagen als Reserve für die neuen IR-Züge, bis genügend neue Aim 260 zur Verfügung standen. Danach wurden die Wagen nach und nach abgestellt. Der letzte Blaue wurde 1988 in Köln ausgemustert, 10 Jahre später war dann der letzte Am 203 von den Schienen verschwunden.
Modell
Vorreiter der langen Schnellzugwagen war dieses Mai Arnold, der schon 1967 mit seinen ersten langen Wagen, die 165 mm lang waren, auf dem Markt erschien. Der 1. Kl. Wagen war ein in blau getrimmter TEE-Wagen, der wenig Ähnlichkeit mit dem Vorbild hatte.
1969 trat Rivarossi mit seiner Produktfirma „Atlas“ auf den Plan. Auch die Italiener produzierten 165 mm lange Wagen, darunter einen angenäherten Am 203, der sich leider als ein umlackierter FS Am entpuppte.
Nach dem Konkurs von Arnold verschmolzen die Firmen Arnold, Rivarossi und Lima zur neuen Firma Hornby-Arnold. Diese neue Firma übernahm die Formen aus der N- Produktion der genannten Firmen. So kam auch der Atlas Pseudo- Am 203 zu Arnold. 2007 wurden die Wagen nochmals aufgelegt und in der Zugpackung „Hanseat“ verkauft.
1971 folgte Fleischmann mit einem vorbildfreien blauen TEE-Wagen. Dieser wurde erst 2002 durch einen richtigen A4üm-61 ersetzt. Inzwischen sind von dem 1. Klasse-Wagen schon 14 Varianten erschienen. Viele Fleischmann Aüm 203 haben Spriegel auf dem Dach, was die Konkurrenz nicht hat und den Wagen eine „Hochbeinigkeit“ nachgesagt wird. 2021 kommt Fleischmann mit der 3. Generation der 26,4 m Wagen heraus, die tiefer liegen sollen.
Auch Minitrix fühlte sich gezwungen, maßstäbliche 26,4m Wagen herauszubringen. 1972 kamen die ersten Wagen heraus, darunter die ältere Bauart Am 202. Diese Bauart blieb bis 2020 im Programm von Minitrix; die jüngste Variante waren die drei A4üm-54 des F-Zugs „Merkurs“. Lange konnte sich Minitrix nicht dazu durchringen, den Wagen auch in anderen Epochen anzubieten.
Erst 1990 nach Neukonstruktion des Wagens mit Kurzkupplungskulisse folgte der erste A4ümg-54 in Epoche III. Statt der unförmigen Fensterstege des Vorgängers hatten jetzt die Wagen dezentere Querstege im Fenster.
2019 wurden die Wagen nochmals überarbeitet: Die Wagen hatten jetzt feststehende Aufstiegsstufen unter den Türen. Bei den ersten Ausgaben waren die Stufen noch am Drehgestell angedeutet.
Hier ein tabellarischer Überblick der hier vorgestellten Modelle des A4ümg-61/ Am 203:
Hersteller |
Artikel-Nr. |
Erstes Bj. Modell |
Wagen-Nr. Modell |
Laufweg |
Atlas |
2681 |
1969 |
2009 Han |
--- |
Fleischmann |
8641 K |
2002 |
12 023 Hmb |
München- HH- Altona |
Fleischmann |
811117-1 |
2017 |
12 075 Esn |
Dortmund- München (Rheinblitz) |
Fleischmann |
863920 |
2022 |
10-40 220-5 |
Köln- Flensburg |
Arnold |
HN 4000-4 |
2007 |
12 031 Köl |
Köln- Kiel (Hanseat) |
Minitrix |
18401 |
2021 |
12 038 Esn |
München- Dortmund |
Minitrix1) |
13370 |
2001 |
11 924 Esn |
Dortmund- München |
Minitrix1) |
51-3080-00 |
1973 |
10-40 202-3 |
München- Dortmund |
1) Vorgängerbauart Am 202/ A4ümg-54
Hier erst einmal Bilder der Neuheit von der Abteil- und Gangseite:
Im Folgenden wird der neue Am 203 mit seinen direkten Vorgängern von Fleischmann verglichen:
Ein Blick auf die Unterseite des Wagens zeigt nur wenige Unterschiede. Alle Aggregate sind an derselben Stelle- unverändert seit 2002. Die Neuheit zeigt ein paar kleine Abweichungen.
Alle drei Wagen haben Kurzkupplung. Beim untersten Wagen (Neuheit) sieht man die Arbeit der Konstrukteure: Gegenüber den Vorgängern haben sie den Boden neugestaltet.
Der nächste Vergleich zeigt die Blauen ältester Wagen (links) mit der Neuheit (rechts). Bei der Neuheit sind die Schiebetüren farbig hinterlegt.
Man beachte die Drehgestelle: Hier sieht man das Kabel des Achsgenerators. Man muss schon genau hinsehen, dass man das Kabel entdeckt.
Hier sieht man deutlich die Höhenunterschiede beider Wagen. Der rechte Wagen ist zu hoch, was Fleischmann den Ruf der „Hochwasser“-Wagen einbrachte. Mit der Neuheit gelang Fleischmann endlich einen maßstäblichen Wagen zu produzieren.
Zum Schluss ein Vergleich der Neuheit mit den Konkurrenz-Modellen des A4ümg-61:
Hier kann man die beiden Neuentwicklungen von Minitrix (links) und Fleischmann bewundern. Man sieht, dass der Minitrix-Wagen ein Tick höher liegt, aber der Unterschied ist noch vertretbar. Trotzdem findet der Autor, dass Fleischmann den 1. Kl. Wagen besser getroffen hat.
Alle Wagen können mit der firmeneigenen Beleuchtung (#946901) nachgerüstet werden.
Für mich war es eine Überraschung, dass zur Stabilisierung des Wagenkörpers ein zweites Dach eingebaut war. Das verhinderte den Blick auf die Inneneinrichtung. Diese wird erst sichtbar, wenn der ganze Wagenkörper vom Fahrgestell abgezogen wird. Der Autor hat darauf verzichtet, da u.U. die Federchen der Kurzkupplung „stiften“ gehen können.
Einsatz auf der Modellbahn
Zum Einsatz des A4ümg-61 wurde eingangs schon Einiges gesagt, nämlich in kurzen F-Zügen der 60er Jahre. Je nach Geschmack können hier Dampfloks (BR’n 01, 01.10, 03, 03.10 oder 23) eingesetzt werden, Liebhaber von Dieselloks werden auf die V 200 zurückgreifen und Ellok-Fans haben mehr Auswahl: E04, E17, E18, E10.0, E10.1 und E10.3 (Bügelfalte). Auch andere Loks waren im Einsatz. Ein kürzerer blauer F-Zug auf einer größeren Anlage macht schon was her. Natürlich kann der Wagen auch in normale (nationale oder internationale) D-Züge eingesetzt werden. Auch ausnahmsweise in Eilzügen, wenn sie genügend Wagen aufwiesen, bzw. der Aüm als Übergang dabei ist.
Fazit
So hat Fleischmann endlich die 26,4 m Schnellzugwagen in der 3. Generation in Epoche IV herausgebracht, der hervorragend gemacht worden ist. Die drei Jahre Warten zwischen Ankündigung und Auslieferung haben sich gelohnt. Der Wagen lässt sich noch mit verschiedenen Farbkleidern herstellen, wie z.B. Popfarben, o/b usw. Viele davon sind angekündigt und sollen noch 2022 erscheinen. Natürlich auch als F-Zug Set mit Speisewagen mit einer V 200.1 oder Ellok, ist ebenfalls angekündigt. Hier hat sich Fleischmann den F-Zug „Hans-Sachs“ auserkoren, der in Epoche IIIb erscheinen wird. Auch das Preis-Leistungsverhältnis kann noch akzeptiert werden, Das Konkurrenzmodell von Minitrix (nur beleuchtet lieferbar) ist gut 10 € teurer. Dazu kann man dem Hersteller nur gratulieren.
Klaus Kosack
Literatur:
Wagen für Europa- Geschichte der 26,4-m-Wagen = EK Spezial 74, Freiburg 2004
Horst J. Obermayer, Taschenbuch Deutsche Reisezugwagen, Stuttgart 1978
Archiv Dt. Reisezug- und Güterwagen, Blatt Schnellzugwagen Am 203