05/2016 von Jürgen Plack
Das Vorbild
Der Eurotunnel ist ein 50 km langer Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Folkstone in England und Coquelles nahe Calais in Frankreich. Er wird von der Gesellschaft „Groupe Eurotunnel S.A.“ betrieben. Die durch ihn fahrenden Hochgeschwindigkeitszüge verbinden Großstädte beiderseits des Kanals, z.B. London und Paris in drei Stunden.
Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts tauchten erste Pläne zu einer direkten Verbindung zwischen England und dem Kontinent auf. Doch erst 1984 wurde es ernst. Nachdem England und Frankreich die ersten Verhandlungen abgeschlossen hatten, erfolgte im März 1985 die Ausschreibung für den Bau des Eurotunnels. 1986 entschieden sich die britische und französische Regierung, den Tunnel als reinen Schienenverkehrstunnel auszuführen, der an manchen Stellen bis zu 75 Meter unter dem Meersgrund verlaufen soll. Am 15. Dezember 1987 begannen die Bohrungen auf der englischen Seite, am 28. September 1988 erfolgte der Start der Arbeiten in Frankreich. Am 1. Dezember 1990 kam es zum Durchstich am Grunde des Kanals – 15,6 km von Frankreich, 22,3 km von Großbritannien entfernt.
Am 20. Juni 1993 erreichte der erste Testzug Großbritannien durch den Eurotunnel. Dieser, an dessen Bau 15000 Arbeiter mitgewirkt hatten, wurde von der englischen Königin Elisabeth II. und vom französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand in einer feierlichen Zeremonie am 6. Mai 1994 offiziell eröffnet. Der Zugverkehr mit Passagieren wurde am 14. November 1994 aufgenommen.
Nachdem feststand, dass der Eurotunnel gebaut werden sollte, mussten sich die Ingenieure um die Konstruktion neuer Hochgeschwindigkeitszüge kümmern. Insgesamt 31 Garnituren mit jeweils 18 Mittelwagen und 7 Züge mit nur 14 Mittelwagen stellten die Firmen Alstom (Frankreich) und Metro-Cammell (England) her. Ende Januar 1993 konnte der erste Zug mit 7 Mittelwagen ausgeliefert werden. Dieser musste dann zahlreiche Testfahrten absolvieren.
Die rund 16 600 PS starken und 300 km/h schnellen Eurostar-Züge von Alstom mit der Bezeichnung Class 373 sind „TGV-Abkömmlinge“ Sie sind aufgrund des kleineren britischen Lichtraumprofiles schmaler, etwas stromlinienförmiger gestaltet und in gelb-weiß-silber-blau gehalten. Zusätzlich sind sie mit seitlichen Stromabnehmern für das Stromschienensystem im Streckennetz des englischen Südostens und Klapptrittstufen für den Profilausgleich an den kontinentaleuropäischen Bahnsteigen ausgerüstet. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Zügen ist ihr Innenraum mit insgesamt 794 Sitzplätzen in drei statt wie üblich in zwei Wagenklassen aufgeteilt.
Kato bietet unter der Art.-Nr. 10-1295 ein achtteiliges Set dieses Zuges an.
Die Optik
Vergleiche mit Originalfotos zeigen, dass das Gesamterscheinungsbild des Zuges, vor allem der Triebköpfe, hervorragend ins Modell umgesetzt wurde. An Detaillierung (Gitter, Griffstangen, Scheibenwischer, Drehgestellblenden), Lackierung (saubere Farbtrennkanten) und Beschriftung (randscharf) gibt es nichts auszusetzen.
Nur die vier Stromabnehmer wirken trotz ihrer Filigranität etwas plastikhaft – sie sind auch tatsächlich komplett aus Kunststoff und lassen sich problemlos auf jede gewünschte Höhe einstellen. Ein Beutelchen zur Ergänzung der Dachausrüstung mit einigen Isolatoren und Leitungen liegt bei.
Die Technik
Das Kuppeln der einzelnen Zugteile ist eine etwas schwierige Angelegenheit. Vor allem die Verbindung zwischen Triebkopf und erstem Wagen bereitet Schwierigkeiten, weil sich die Konstrukteure hierfür eine etwas „eigenwillige“ Konstruktion der Kupplung haben einfallen lassen.
Während die Mittelwagen, die teilweise Jakobs-Drehgestelle besitzen, schön eng und ohne sichtbaren Spalt kuppeln, bleibt zwischen den Triebköpfen und den Mittelwagen ein unschöner Spalt von ca. zwei Millimetern.
Wenn der Zug dann endlich zusammengestellt ist, bereitet er nur noch Freude. Er fährt bei niedriger Fahrspannung seidenweich und ruckfrei an, ist sehr gut regelbar, und hat auch bei Langsamfahrt keinerlei Stromabnahmeprobleme. Schwierige Weichenkombinationen meistert er gezogen und geschoben (der zweite Triebkopf ist nur ein „Dummy“) auch bei höheren Geschwindigkeiten souverän.
Bis zur Höchstgeschwindigkeit bleibt er akustisch sehr dezent und liegt absolut ruhig im Gleis. Das mit der Fahrtrichtung wechselnde Spitzensignal ist schon bei sehr geringer Geschwindigkeit gut zu erkennen. Zwei auf den inneren Achsen der Drehgestelle diagonal aufgezogene Haftreifen sorgen für ausreichende Zugkraft. Beim Ausbleiben des Fahrstromes zeigt er einen erstaunlich großen, weichen Auslauf. Es geht also! Wann werden sich Arnold, Fleischmann, etc. endlich ein Beispiel daran nehmen?!
Wartung und Pflege
Ein trauriges Kapitel! Es beginnt mit der Betriebsanleitung, die hauptsächlich in Japanisch gehalten ist (was vermutlich nicht so besonders viele N-Bahner in Deutschland beherrschen), und durch ein paar (nicht besonders hilfreiche) englische „Brocken“ ergänzt wird. Abgerundet wird das Ganze durch eine komplett in Japanisch gehaltene Ersatzteilliste, auf der seltsamerweise der Motor fehlt. Öffnen des Gehäuses, Ölen, Fetten? – Keine Aussagen! Schwach! Vielleicht sollte der Importeur da mal ein paar Worte mit den Kato-Leuten wechseln...
Das Fazit
Der Eurostar von Kato ist ein faszinierendes Modell – sowohl optisch als auch fahrtechnisch. Kritik kann es eigentlich nur an der eigenwilligen Kupplungskonstruktion und an der wenig hilfreichen Betriebsanleitung geben. Die UVP von 239,99 Euro ist durchaus gerechtfertigt.