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04/2015 von Jürgen Plack

Analogtest: Spur N VT 98 von Piko

Der „Nebenbahnretter“ VT 98 war schon immer für die N-Bahner und die N-Bahnhersteller ein begehrtes und interessantes Modell. Schon auf dem Titelbild des Arnold rapido-Katalogs von 1962/63 war er zu sehen. Doch erst 1966 rollte er auf die N-Anlagen – versehen mit den Standard-N-Kupplungen als VT (Triebwagen), VB (Beiwagen) und VS (Steuerwagen). 1967 kam er dann auch als ÖBB-Fahrzeug in blau/elfenbein. 1967 stellte auch Minitrix einen VT 98 vor – ebenfalls dreiteilig, aber mit festen Kuppelstangen und ohne Kupplungen an den Wagenenden, also ohne die bei Modellbahnern so beliebte Möglichkeit, wie manchmal beim Vorbild und beim Arnold-Modell noch einen Güterwagen anzuhängen. 1968 kam auch von Minitrix die ÖBB-Variante. 2007 stellte Minitrix dann eine völlige Neukonstruktion des Schienenbusses vor – mit stromführender, starrer Kupplung zwischen den einzelnen Fahrzeugen, aber wiederum ohne Kupplungsmöglichkeit an den Fahrzeugenden.

Nachdem weder Arnold noch Minitrix zur Zeit einen VT 98 anbieten, ist nun Piko aktiv geworden.
Zur Begutachtung lag uns die zweiteilige Garnitur aus Triebwagen 798 und Steuerwagen 998.6 (DB Ep. IV), Art.-Nr. 40250, vor. Zusätzlich sind noch ein Beiwagen (Art.-Nr. 40680) und ein Bei-/Packwagen (Art.-Nr. 40681) erhältlich.

Das Vorbild

Nachdem sich der seit 1952 im Einsatz befindliche einmotorige VT 95 mit seinem 150 PS-Motor von Büssing letztlich doch als zu schwach erwiesen hatte, wurden 1953 drei Prototypen des zweimotorigen VT 98 mit zwei mal 150 PS an die junge DB geliefert. Sie zeigten sich leistungsfähig genug, hatten aber ein ähnliches Problem wie die Modelle von Minitrix: Aufgrund ihrer Mittelpufferkupplung waren sie nicht in der Lage, zusätzliche Wagen mitzuführen. Deshalb erhielten die späteren Serienausführungen dann „richtige“ Puffer statt der Stoßfederbügel und eine Standardkupplung. Zwischen 1955 und 1962 beschaffte die DB 329 Triebwagen. Die zweiteiligen Einheiten wurden, ebenso wie vierteilige, etwas seltener eingesetzt, die Standardreihung war VT+VB+VS. Sie waren praktisch auf allen DB-Nebenstrecken im Einsatz. Die letzten planmäßigen Fahrten fanden im Jahr 2000 statt. Bei vielen Privatbahnen sind aber noch heute VT 98 – teilweise modernisiert – im Einsatz.

Die Optik

Gut sieht er aus, der VT 98 von Piko! Und um es gleich vorweg zu nehmen: Die stromführende Kupplung wirkt auf Fotos, vor allem aus der „Preiserlein-Perspektive“, optisch wesentlich aufdringlicher als „in Echt“. Im Anlagenbetrieb fällt sie kaum noch störend auf. Das typische Gesamt-Erscheinungsbild eines Schienenbusses ist hervorragend ins Modell umgesetzt. Die Nietreihen auf dem Dach und am Fahrzeugkasten haben genau die richtige Größe. Würde man sie exakt maßstäblich nachbilden, wären sie kaum noch zu sehen. Auch sonst kann die Detaillierung des Rahmens und des Aufbaus überzeugen. Wunderschön ist auch die Bedruckung gelungen. Zierlinien sind fransenfrei aufgebracht, die umfangreiche Beschriftung ist bis ins Kleinste noch mit der Lupe lesbar. Schön auch, dass es gelungen ist, einen nahezu freien Durchblick durch das Fahrzeug zu ermöglichen. Die angedeutete Inneneinrichtung, die „amputierte Preiserlein“ aufnehmen kann, ist in einem etwas zu hellen blau gehalten.

Die serienmäßige Innenbeleuchtung ist leider nicht abstellbar. Sie ist auch nicht besonders gut geraten, weil durch Reflexionen im Fahrzeuginneren aus bestimmten Blickwinkeln der Eindruck entsteht, als würde dieses vom Boden aus beleuchtet.  Anstelle der in Kurzkupplungs-Kulissen eingesetzten Norm-Kupplungen können beiliegende, detaillierte Frontschürzen eingesetzt werden. Eine gute Idee, deren Umsetzung aber nicht ganz gelungen ist. Diese Schürzen rasten nämlich nicht wie die Kupplungen fest ein, sondern stecken nur relativ lose in den Aufnahmen, was dazu führen kann, dass sie irgendwann, irgendwo verloren gehen...





Die Technik

Bereits in der Verpackung sind der Trieb- und der Steuerwagen durch die stromführende Kupplung verbunden, können also ohne große Vorbereitungen aufgegleist werden. Wird jetzt vorsichtig der Regler aufgedreht, scheint der Antrieb zunächst leicht zu „kleben“, um dann, bei etwa zwei Volt das Fahrzeug etwas ruckartig in Bewegung zu setzen. Die umgerechneten 28 km/h, die er dabei bereits erreicht, sind für ein aktuelles N-Triebfahrzeug eigentlich schon etwas zu viel. Positiv ist zu vermerken, dass der VT von da an, bis zur (deutlich überhöhten) Höchstgeschwindigkeit gut regelbar ist, ein höchst dezentes Betriebsgeräusch entwickelt, und dass das warmweiß/rot wechselnde Spitzenlicht schon sehr früh deutlich sichtbar ist. Beim Triebwagen kann es mittels eines kleinen Schiebeschalters im Wagenboden auf der dem Beiwagen zugewandten Seite abgeschaltet werden. In allen Geschwindigkeitsbereichen liegt der Schienbus völlig ruhig im Gleis, und auch Weichenstraßen bringen ihn dabei kaum aus der Ruhe. Wie bei so vielen N-Modellen ist auch hier die im Durchmesser zu kleine Schwungmasse des wartungsfreien Motors nicht in der Lage, wirklichen Auslauf zu erzeugen.

Auf Weichen mit Kunststoff-Herzstücken und auf DKWs kommt es trotz Stromabnahme von insgesamt sechs Rädern (die zwei haftreifenbewehrten lassen wir mal außen vor) auch noch bei umgerechneten 63 km/h immer wieder einmal zu abruptem Stehenbleiben wegen Stromabnahme-Problemen. Vielleicht hilft ja die Bedienungsanleitung (dazu später mehr) weiter. Vielleicht damit: „Sollten bei Solofahrten beim Triebwagen Kontaktprobleme auftreten, dann kann der Radsatz mit Haftreifen gegen den beiliegenden Radsatz ohne Haftreifen ausgetauscht werden.“ So weit, so gut – aber: Ganz einfach gestaltet sich das nicht. Zuerst muss das Gehäuse abgenommen werden – dank „Spreiztechnik“ wieder einmal ein übles Gezerre. Jetzt sieht man, dass die Achslagerblenden des Haftreifenradsatzes seitlich am Chassis eingeklipst sind. Mit einem kleinen Schraubendreher können sie ausgehebelt, die Blende abgehoben und der Radsatz entfernt werden. Wer jetzt frohgemut einfach den Tauschradsatz einsetzt, läuft große Gefahr, die mit sehr schwacher Federkraft versehenen Stromabnahmebleche zu verbiegen. Man sollte sie mit einer kleinen Pinzette vorsichtig zusammendrücken, den Radsatz einbauen und dann die Pinzette nach oben wegziehen. Zu alledem schweigt sich die Bedienungsanleitung aus. Immerhin, die Kontaktprobleme sind jetzt deutlich gemildert, aber immer noch nicht ganz verschwunden, es zeigt sich nämlich, dass auch die Stromabnahme beim nur 29 Gramm „schweren“ Steuerwagen unseres Testmusters nicht ganz optimal ist. Vielleicht könnte man mit etwas Gewicht, dort, wo beim Triebwagen (42 Gramm) der Motor sitzt, etwas nachhelfen. Nicht unerwähnt soll auch bleiben, dass nach dem Entfernen des Haftreifen-Radsatzes die Zugkraft nur noch sehr gering ist.

Diese ganzen Probleme wären vermutlich nicht aufgetreten, wenn Piko beide Fahrzeuge mit je einer Pendelachse versehen hätte, und so mit Hilfe einer Dreipunkt-Auflage für stets sicheren Gleiskontakt gesorgt hätte. Kres  hat mit seinem VT 135 vorgemacht, wie wunderbar das funktionieren kann.

Wartung und Pflege

Schade, dass man sich bei Piko einfach nicht dazu durchringen kann, die Bedienungsanleitung mit mehr Text zu versehen. Zugegeben, die zahlreichen Zeichnungen sind schon hilfreich, aber ohne mehr ergänzenden Text kann der N-Bahner schon mal ratlos werden, nicht mehr weiter wissen, und im schlimmsten Fall Schaden am Fahrzeug anrichten – was sicher nicht im Sinne eines Herstellers sein kann. Geölt werden sollen laut Anleitung nur die Achslager, nicht aber die Antriebszahnräder . Über den Motor wird gar nichts ausgesagt, er darf also offenbar als „wartungsfrei“ gelten.

Das Fazit

Piko hat mit dem VT 98 ein optisch wunderschönes Modell auf den Markt gebracht. Die stromführende Kupplung wirkt auf der Anlage nicht so störend wie auf Fotos. An sich recht gute Fahreigenschaften wurden bei unserem Testmuster durch Stromabnahmeprobleme getrübt. Die recht hohe Mindest- und Höchstgeschwindigkeit  sind nicht mehr zeitgemäß. Die Bedienungsanleitung sollte mit mehr Text versehen sein. Bei der für das Gebotene zunächst etwas hoch erscheinenden UVP von 160 Euro sollte man bedenken, dass man dafür einen, wenn auch kurzen, so doch kompletten Zug erhält.

Jürgen Plack

Anmerkung: Ein Digitaltest wird in unserem Blog folgen. Frank Heilemann analysiert Umbau, Fahreigenschaften und die beim Umbau entstehenden Probleme.

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