11/2023 von Klaus Kosack
Nach den damals üblichen Gepflogenheiten bestellte die US Army bei deutschen Firmen Güterwagen, da hierzulande amerikanische Güterwagen wegen des Profils nicht in Deutschland eingesetzt werden konnten. Wahrscheinlich nach dem Muster: Die Army bestellt und Deutschland durfte das bezahlen. Das wurde dann unter Reparationskosten in der BRD verbucht.
Die Army brauchte zur Truppenversorgung Benzin, die am besten mit Kesselwagen transportiert werden konnte. Zudem hatten deutsche Firmen, wie z. B. Fa. Graaf in Elze, um 1950 einen Nachfolger der Kriegs-Kesselwagen (Bauarten Deutz bzw. Uerdingen) entwickelt. Dieser 4-achsige Wagen wurde gerne von Mineralöl-Firmen eingesetzt und waren so ein Verkaufsschlager. Auch die US- Army fand Gefallen an dem Wagen. So bestellten sie rund 300 Kesselwagen mit einem Ladevolumen von je 63 m³ Benzin.
Kommen wir zurück auf die Entwicklungsgeschichte des Wagens. Insbesondere für die größeren Treibstoffverbraucher (Marine, Luftwaffe und Heer) waren größere Mengen Treibstoff gefragt. Da genügten 2-achsige Kesselwagen nicht mehr. So kam man auf die Idee, 4-achsige Kesselwagen mit 63 m³ Volumen entwickeln zu lassen, unter der Vorgabe, möglichst wenig Material zu verbauen und zugleich die Wagen leichter zu machen, damit die geforderten 63 m³ auch transportiert werden konnten. Zwei Firmen machten sich an die Entwicklung: Die Firma Westwaggon in Köln- Deutz und Uerdingen in Krefeld. Heraus kamen die sogenannten Leichtkesselwagen der Bauart Deutz und Uerdingen. Die Deutzer nutzten den Kessel als Verbindung zu den Drehgestellen, während die Uerdinger einen leichten Hilfsrahmen zusätzlich einbauten. Von beiden Bauarten wurden im Krieg ab 1941 knapp 6.500 Wagen ausgeliefert, davon 2.300 Uerdinger, die meisten Wagen erhielt die Tarnfirma WiFo, die die Wehrmachtsversorgung mit Treibstoffen übernahm.
Gebaut wurde der Kesselwagen mit Bremserhaus und Bremserstand. Nach dem Krieg waren die Blechbremserhäuser oftmals verschlissen und man hat sie abgebaut. Einheitlich war die Bauweise der Uerdinger: auf einem geschweißten Untergestell kam der geschweißte Kessel, wobei die Aufstiegsleitern je nach Baulos schon mal abweichen konnte. Teilweise hatten die Kessel auch Heizschlangen.
Nach dem Krieg war keiner der Wagen mehr im Eigentum der DR, sondern im Besitz von Mineralöl-Firmen oder Chemischen Werken oder Wagen-Verleihfirmen. Ca. 600 Wagen gelangten in den Besitz von Wagenverleih-Firmen wie VTG oder EVG. Bei der DR gingen alle Wagen in den Staatsbahnbestand auf, die sie z.T. an VEB vermieteten. Der letzte Einsatz der Wagen war im Jahre 2000.
Der Kesselwagen wurde zum Transport von brennbaren Flüssigkeiten (Benzin, Diesel, Heizöl, Teer und Schweröl) eingesetzt; alle Kessel hatten ein Ladevolumen von 63 m³.
Kommen wir zurück auf die Nachkriegsentwicklung: Es zeigte sich, dass die BA Uerdingen zur Weiterentwicklung am besten geeignet war. Es mussten nur Bauteile ersetzt werden, die im Krieg aus Ersparnisgründen zu schwach ausgefallen waren. Hinzu kam das neue Drehgestell der Bauart Minden-Siegen. Diese Entwicklungsarbeiten waren schon 1950/51 abgeschlossen und erste Serien für Privat-Besteller wurden ausgeliefert. Hier ein Bild eines sehr ähnlichen Kesselwagens.
Modell
Kesselwagen waren schon immer gerne produzierte Güterwagen der Modellbahnindustrie. Allerdings oftmals frei nach dem Motto: Je bunter, desto besser. Vorbildtreue spielte da weniger eine Rolle. So kommt es, dass nur wenige Kesselwagen in N ein reales Vorbild haben, häufig wurden mehrere Bauarten vermengt. Hinzu kam, dass die meisten der bunten Kesselwagen, so nie beim Vorbild liefen. Offenbar war es dem Käufer egal: Hauptsache bunt war das Argument für einen Kauf.
Leichtbau-Kesselwagen waren schon immer im Visier der Modellbahn-Hersteller: Vorreiter war diesmal Minitrix, die schon 1965 den ersten Kesselwagen der Bauart Deutz herstellten. Der Kessel war bedrucktes Blech; die Drehgestelle mit dem Kessel verschraubt. Alle Wagen hatten kein Bremserhaus. Es gab vier Varianten der Firmen SHELL, Mobiloil, ARAL und FINA. 1973 verschwanden sie wieder aus dem Katalog. Gut erhaltene Modelle dieses Typs sind heute gesuchte Sammlerstücke. Die zweite Firma, die sich mit Leichtbaukesselwagen beschäftigte, war der VEB Piko in der DDR, der die Variante mit Blechbremserhaus herausbrachte. Die Wagen wurden von 1970 bis ca. 1986 produziert und es gab 13 Varianten, je fünf bei der DR und DB eingestellt und 3 im Ausland (2 CSD und 1 MAV). Bei genauerem Betrachten kann man sie mit einigen Bauchschmerzen der Bauart „Uerdingen“ zu ordnen.
Umso erfreulicher war der Entschluss von BRAWA, einen realen Kesselwagen zu produzieren, der beim Vorbild auch häufiger war. Pate bei der Entwicklung des Wagens war sein HO- Pendant der Firma, der 2013 erstmals erschien. Vorgestellt wurde der Wagen als Neuheit in N bei der Spielwarenmesse 2017 in Nürnberg, im Januar 2018 kamen die ersten Wagen in den Handel. Hier ein Bild des Wagens. Es ist die beste Umsetzung als Modell eines Uerdingers.
Kommen wir zurück auf die Neuheit von Minitrix. Erste Erkenntnis: Der Wagen ist formentechnisch ein unverändertes Modell des Wagens von 2004, wie im nächsten Foto ersichtlich.
Hier kann man gut erkennen, dass bei der Neuheit nichts verändert wurde.
Kommen wir zur Neuheit, dem USATC-Kesselwagen. Hier ein Bild des Wagens:
Der Kesselwagen ist militärisch vollständig in Oliv gehalten, Kessel, Fahrgestell, Drehgestelle und Bühnengeländer zeigen diese Tarn-Farbe. Es folgen Detail-Fotos des Wagens.
Die Beschriftung ist in Deutsch und Englisch gehalten. Beheimatet ist der Wagen in Mannheim-Rheinau, also in der US-Zone. Das Untersuchungsdatum lautet 21.3.55, die Wagennummer USA 550 154 [P].
Einsatz auf der Modellbahn
Kesselwagen lassen sich universell einsetzen. Als Ganzzug mit 10 bis 15 Wagen oder auch einzeln, bei z.B. bei Rückleistung leerer Kesselwagen. Vorstellbar wären Wagenläufe von Bremerhaven (US-Zonen Exklave) zu den verschiedenen Standorten der US Army in Deutschland, die in Bremerhaven mit US-Benzin beladen werden, das mit Übersee-Schiffen nach Deutschland kam.
Fazit
Damit stellte Minitrix ein zeithistorisches Fahrzeug her. Das ist aber nicht das erste Fahrzeug der USTAC von Minitrix. 2004 stellten sie einen Besatzerzug aus der frühen Nachkriegszeit 1946 mit einer Stromlinien 03.10 her. Auch wenn die Form schon über 20 Jahre alt ist. Mein Wunschtraum wäre, wenn das Brawa-Modell auch in diesem Dekor erscheinen könnte. Eine Bemerkung zum Preis: Der Wagen kostet ca. 35 €, auf den Schachteln der Vorgänger klebte noch das Preisschild von 2005: Damals wurden im Abverkauf 9,90 € verlangt, also nur 28 Prozent des heutigen Preises. Ich gebe zu: Damals habe ich beim Abverkauf zugeschlagen und über 10 Kesselwagen gekauft.
Klaus Kosack
Literatur:
St. Carstens, Mineralöl-Kesselwagen, MIBA-Report, Fürstenfeldbruck 2015
St. Carstens/ H. Westermann, Güterwagen Bd. 7- Kesselwagen für brennbare Flüssigkeiten, Fürstenfeldbruck 2014